Flughafen BER:Warum am Berliner Flughafen nichts mehr ging

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"Gestrichen" steht auf einer Anzeigetafel während des Warnstreiks am Flughafen Berlin-Brandenburg BER. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Drei schwierige Tarifrunden, die Inflation und ein Konzert aus Trillerpfeifen - das sind die Hintergründe des Arbeitskampfs der Flughafenmitarbeiter.

Von Benedikt Peters

Enrico Rümker ist ein wenig schwer zu verstehen, das liegt an den Trillerpfeifen. Er ziehe gerade durch den Terminal 1 am BER, ruft er ins Telefon, "mit 2000 Leuten!" Ob es wirklich so viele sind, ist kaum zu überprüfen, zumal der Verdi-Gewerkschafter natürlich ein Interesse hat, den Warnstreik am Berliner Hauptstadtflughafen möglichst groß aussehen zu lassen. Klar ist aber, dass der Arbeitskampf eine große Wirkung erzielt: Nichts geht am Mittwoch am BER, das Flughafenmanagement streicht alle 300 Flüge, 35 000 Passagiere sollen betroffen sein. Rümker weiß um die Unannehmlichkeiten, aber er denkt vor allem an die Beschäftigten. "Die brauchen jetzt einfach mehr Geld."

Der Hintergrund des weit ausgedehnten Warnstreiks - von der Frühschicht bis in den späten Mittwochabend - ist ein wenig komplex. Mitgemacht haben die Beschäftigten aus drei verschiedenen Bereichen, weil sich aus Sicht der Verdi-Funktionäre in deren Tarifrunden nichts bewegt. Da sind, erstens, die Verhandlungen mit der Flughafengesellschaft, dort geht es zum Beispiel um die Gehälter der Flughafen-Feuerwehrleute, der Verwaltungsangestellten und der Beschäftigten in der IT. In einer zweiten Runde ringt Verdi um den Lohn des Bodenpersonals, das sind zum Beispiel die Mitarbeiter am Check-In-Schalter, die Koffer-Verlader und die Busfahrer auf dem Rollfeld. Eine dritte Runde betrifft die Mitarbeiter der Luftsicherheit, sie kontrollieren etwa das Gepäck der Passagiere.

Einige Beschäftigte verdienen nicht viel

Bei den Bodendiensten und den Mitarbeitern der Flughafengesellschaft verlangt Verdi deutlich mehr Lohn, 500 Euro pro Monat müsse es mehr geben. Rümker führt selbst die Verhandlungen bei den Bodendiensten, und er sagt, die Beschäftigten litten besonders unter der hohen Inflation, weil sie wenig verdienten, im Schnitt etwa 2500 Euro brutto.

Gewerkschaften
:Der zähe Kampf gegen die hohen Preise

Die Gewerkschaften stemmen sich gegen die Auswirkungen der Inflation - doch bei den Beschäftigten kam davon noch nicht besonders viel an.

Von Benedikt Peters

Die Arbeitgeber - zu ihnen zählen die Unternehmen WISAG, Swissport und Airline Assistance Switzerland - teilen auf SZ-Anfrage mit, der Warnstreik sei für sie "nicht nachvollziehbar", die Verhandlungen liefen konstruktiv. Sie haben angeboten, den Beschäftigten in drei Stufen mehr Geld zu zahlen, im Schnitt etwa 15 Prozent. Doch es gibt Streit um die Laufzeit des Tarifvertrags: Die Arbeitgeber wollen ihn auf drei Jahre anlegen, während Verdi nur ein Jahr vorschwebt. Danach wollen die Gewerkschafter wieder über höhere Gehälter verhandeln, um reagieren zu können, falls die Inflation noch länger hoch bleibt.

Auch bei der Flughafengesellschaft stagnieren die Verhandlungen, das Management hat zuletzt 5 Prozent mehr Geld in den nächsten zwei Jahren angeboten. Auf SZ-Anfrage sagt eine Sprecherin, man wolle sich zur laufenden Runde nicht weiter äußern. In der dritten Runde in der Luftsicherheit geht es um höhere Zuschläge für Überstunden und Wochenendarbeit, die Verhandlungen wurden schon sechs Mal vertagt. Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen teilt mit, der Warnstreik sei "völlig überzogen", die Beschäftigten bekämen in diesem Jahr schon Lohnerhöhungen von bis zu 28 Prozent.

Die Warnstreiks am BER sind nicht die ersten in diesem Jahr, und es werden auch nicht die letzten sein. In zahlreichen Lohnrunden fordern die Gewerkschaften üppige Erhöhungen, mit denen sie die durch die Energiekrise hochgetriebene Inflation ausgleichen wollen. Ihnen gegenüber stehen jedoch Arbeitgeber, denen die Krise ebenfalls Kopfzerbrechen bereitet und die vorsichtig agieren wollen - und die auch davor warnen, dass kräftige Lohnerhöhungen die Inflation weiter treiben könnten. Ob es zu einer solchen Lohn-Preis-Spirale kommen könnte, ist allerdings umstritten. Harte Verhandlungen zeichnen sich unter anderem ab bei der Post und im öffentlichen Dienst, und das Muster dürfte sich wiederholen, wenn in den nächsten Monaten etwa im Einzelhandel und in einigen Industriebranchen Tarifrunden starten.

Zurück zu Enrico Rümker, dessen Mitstreiter gerade im Terminal ihr Trillerpfeifenkonzert ausweiten, so klingt es zumindest. "Ich hoffe, jetzt bewegt sich endlich was!", brüllt er. Die nächsten Verhandlungen für die Bodendienste am BER sind für den kommenden Montag angesetzt.

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