Süddeutsche Zeitung

BER-Eröffnung:"Es wird sich lohnen"

Mit ein paar Jahren Verspätung eröffnet der Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg. Die Demonstranten protestieren vergeblich, und gefeiert wird vor allem der Flughafenchef.

Von Jens Flottau und Jan Heidtmann, Schönefeld

Wer sich am Tag der Eröffnung des BER eine Vorstellung davon machen wollte, wie begeisternd das Fliegen sein kann, ging besser nicht zum BER. "Wir heben ab" heißt die Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett, die natürlich nicht ganz zufällig an diesem Morgen eröffnete. 80 Werke zum Fliegen sind da zu sehen, vom Mittelalter bis heute. Albrecht Dürers Holzschnitt "Christi Himmelfahrt" von 1510 zum Beispiel oder die "Fliegenden Fische" von Eduard Hildebrandt aus dem 19. Jahrhundert. Sie alle sind Dokumente der Faszination, die das Fliegen für den Menschen immer bedeutet hat. Inzwischen ist das bekanntermaßen anders.

Am BER demonstrierten das vor allem die Aktivisten von "Am Boden bleiben" und anderen Klimaschutzinitiativen. Ihr Plan, so schrieben sie auf Twitter, sei, die "BER-Eröffnung auf Eis zu legen". Am Mittag waren es dann um die 500 Menschen, die mit Fahrrädern und Plakaten auf der oberen Ebene vor der Abflughalle demonstrierten - "BER-Eröffnung: Abgesagt wegen der Klimakrise". Unten, in der Ankunftshalle, versuchten weitere 30 Aktivisten den Weg in das Terminal zu versperren. "5, 6, 7, 8, der BER wird plattgemacht", skandierten sie. Es kam dann anders. Die Vergeblichkeit der Aktion war fast schon etwas traurig, einige hundert Polizisten verhinderten, dass der Protest auch nur ansatzweise zünden konnte.

Ganz glatt lief es dennoch auch nicht bei der Eröffnung. Eigentlich sollten um 14 Uhr zwei Maschinen parallel landen, eine der Lufthansa, eine der Easyjet. Doch der Himmel war trüb, es regnete. Aus Sicherheitsgründen landete zuerst das Flugzeug von Easyjet, ein paar Minuten später Flug LH2020. Mit an Bord war auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr. "Hat zwar ein paar Jahre länger gedauert", sagte Spohr nach der Ankunft lakonisch. Aber "schön, hier zu sein".

Dass der erste Flug der Lufthansa zum BER in München startete und nicht in Frankfurt, wo sich die Lufthansa-Konzernzentrale befindet, sei "kein Zufall", erklärte er. Spohr wohnt in München, es habe aber nichts damit zu tun, "dass ich so länger ausschlafen konnte". Vielmehr war es ein kleiner Stich gegen die Frankfurter Flughafengesellschaft. Die Lufthansa liegt mit dem Fraport schon lange im Clinch, vor allem wegen der Kosten. Auch wenn die beiden Drehkreuze der Airline in München und Frankfurt sind, sei Berlin für Lufthansa etwas ganz Besonderes, sagte Spohr.

Die Zahl der Gäste bei der kleinen Eröffnungsfeierlichkeit im Terminal 1 des BER war wegen der Corona-Pandemie immer weiter zusammengeschnurrt. Am Ende waren es nur noch ein paar Handvoll Menschen, darunter auch die Architekten aus dem Büro Gerkan, Marg und Partner. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gab die Stimmung des Tages ganz gut wieder, als er in seinem Statement sagte: "Es ist kein Jubeltag, es ist ein Arbeitstag." Neun Jahre Verzögerung bei der Eröffnung, mehrere Milliarden Euro zusätzliche Baukosten, der Flugverkehr durch die Corona-Pandemie zusammengebrochen - das alles versperrt den Blick. Zurück genau so wie nach vorne.

Zu feiern war vor allem Engelbert Lütke Daldrup. Nicht nur, weil der Flughafenchef an diesem Samstag seinen 64. Geburstag hat, sondern weil er es war, der den Flughafen letztendlich in Gang brachte. Im März 2017 hatte er die Baustelle übernommen, immer noch ein mittleres Chaos. "Durchhaltevermögen" sei ein Markenzeichen seines Teams gewesen, betonte Lütke Daldrup und das sei auch jetzt noch notwendig. Er verwies auf Industrieansiedlungen wie Tesla in Brandenburg und die Entwicklung des Siemens-Campus in Berlin. "Es wird sich lohnen, der BER wird ein wichtiger Garant für die wirtschaftliche Entwicklung der Region sein."

Zum Betriebsstart versammelten sich dann Flughafenchef Lütke Daldrup und die Vorstände von Lufthansa und Easyjet vor einem Podium und drückten tatsächlich jeweils einen dicken roten Knopf. Es war ein seltsam anachronistischer Akt für das, was Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) so beschrieb: "Wir erleben heute den ersten Tag einer Erfolgsgeschichte."

Auf dem Vorplatz vor dem Terminal 1 tummelten sich neben Demonstranten und Polizisten auch jede Menge Schaulustige. Darunter Silvia und Dieter Schönhals. Sie wohnen im nahe gelegenen Mahlow, nur zehn Minuten entfernt. Das liege zwar in der Flugschneise, meint Dieter Schönhals, dennoch "freuen wir uns sehr über den Flughafen." Seine Frau arbeitet noch, er ist bereits in Rente, das Paar besitzt eine Wohnung auf Lanzarote. "Wir sind Vielflieger." Und die Kosten? Der Bauskandal? "Ach", sagt Dieter Schönhals, "weiter geht's".

Der erste Abflug von Terminal 1 des BER startet um 6.45 Uhr am Sonntagmorgen. Easyjet Flug EJU8210 nach London.

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