Benzinpreis:Kartellamt geht gegen Ölmultis vor

Booten die Ölmultis gezielt freie Tankstellen aus? Das Kartellamt eröffnet ein Wettbewerbsverfahren gegen die fünf marktbeherrschenden Konzerne. An den Rekordpreisen an den Tankstellen dürfte das aber nichts ändern. Wirkungsvoll handeln können die Autofahrer selbst.

Die obersten Wettbewerbshüter vom Bundeskartellamt schalten sich in die Diskussion um Benzinpreise ein: Die Behörde hat ein Wettbewerbsverfahren gegen die marktbeherrschenden Mineralölkonzerne BP, Esso, Jet, Shell und Total eingeleitet.

Anlass ist allerdings nicht, dass der Spritpreis aktuell zu hoch sein soll - sondern eine andere Form angeblichen Missbrauchs der Marktmacht durch die großen fünf Konzerne: Preis-Dumping. Das Kartellamt leitet seine Untersuchung wegen der Beschwerden freier Tankstellen ein, die Multis würden gezielt an bestimmten Zapfsäulen Sprit unter dem Beschaffungspreis verkaufen. So wollten sie unabhängige Anbieter ausbooten. "Solchen Verdachtsmomenten gehen wir konsequent nach", sagte der Präsident der Wettbewerbsbehörde, Andreas Mundt, und bestätigte damit Medienberichte. Freie Tankstellen müssten zu fairen Bedingungen beliefert werden, sagte Mundt.

Auch sollen die Ölmultis für die Belieferung von freien Tankstellen teilweise höhere Preise verlangt haben als von den Endkunden an den eigenen Tankstellen. Die Behörde hat in einem ersten Schritt Auskünfte von den Konzernen verlangt. "Das ist ein Signal an die großen Fünf, dass wir die Vorwürfe ernst nehmen", hatte Mundt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt.

"Unruhe ins Oligopol bringen"

Das Bundeskartellamt riet der Regierung, "Unruhe ins Oligopol" der Mineralölkonzerne zu bringen und kurzfristige Preiserhöhungen zu erschweren. Mundt verwies im ZDF auf Modelle im Ausland, wo Anbieter nur einmal am Tag Preise ändern dürfen und dies vorher ankündigen müssen. Er regte an, freie Tankstellen von diesen Vorgaben auszuklammern, um sie zusätzlich zu stärken.

Für Ferdinand Dudenhöffer ist die Aufregung um die höchsten Benzinpreise aller Zeiten nur ein Sturm im Wasserglas. "Das Kartellamt produziert seit 30 Jahren nur heiße Luft", sagte der auf Automobilforschung spezialisierte Professor der Universität Duisburg-Essen. Jedes Jahr zu Ostern gebe es diese Debatten, eine wirkliche Lösung werde aber nicht energisch genug angegangen.

Preise einzufrieren oder eine "Spritpreispolizei" würden dazu führen, dass "die Spritpreise eher höher als niedriger sind", betont Autoexperte Dudenhöffer. Die einzige echte Preisbremse wäre, dass nicht wie bisher von den 42,9 Millionen Autos in Deutschlands 98,6 Prozent Benzin- oder Diesel-Pkw sind. "Nur mit mehr alternativen Antrieben kommen wir aus dieser Situation", sagte Dudenhöffer.

Uneinigkeit bei den Parteien zur Pendlerpauschale

Auch die Grünen machen sich für neue Wege und spritsparendere Modelle stark. Sie halten nichts von einer höheren Pendlerpauschale, die derzeit bei Politikern von Union und FDP hoch im Kurs steht. "Weg vom Öl" lautet der Slogan.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und andere Vertreter der FDP hatten gefordert, die Pendlerpauschale von derzeit 30 Cent je Kilometer anzuheben. Auch in Teilen der Union, etwa beim Arbeitnehmerflügel, traf diese Forderung auf Unterstützung. Wie bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte jedoch auch Finanzminister Wolfgang Schäuble Änderungen ab.

Für eine Anhebung der Pendlerpauschale wegen der gestiegenen Spritkosten gebe es keinen Spielraum, sagte der CDU-Politiker. Die Vorstellung, dass der Gesetzgeber Schwankungen der Energiepreise ausgleichen könne, sei nicht zielführend. Dies würde nur dazu führen, dass diejenigen, die die Preise erhöhten, auf den Staat hoffen könnten, sagte Schäuble.

Interessant ist, dass sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai zur Wahl antritt, für eine höhere Pendlerpauschale ausspricht.

Die Benzinpreise wirken sich auf das Verhalten der Autofahrer aus

Doch auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) riet der Bundesregierung von einem solchen Schritt ab: Höhere Subventionen für den umweltschädigenden Individualverkehr gingen in die falsche Richtung, sagte Deutschlandexperte Andreas Wörgötter.

Die gestiegenen Benzinpreise wirken sich offenkundig auf das Verhalten der Autofahrer aus. In einer Forsa-Umfrage für das Magazin Stern gaben 67 Prozent der Befragten an, sie achteten auf einen spritsparenden Fahrstil. 40 Prozent erklärten, sie ließen ihr Auto öfter stehen. 28 Prozent nutzten stärker das Fahrrad und 15 Prozent Busse und Bahnen. Forsa befragte für die Erhebung Ende vergangener Woche 1001 Bundesbürger.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: