Benzinpreise auf Rekordhoch:Die teuerste Tankfüllung aller Zeiten

Vollgas ohne Bremse: Der Spritpreis erreicht in Deutschland ein neues Rekordhoch. Zum Ende der Reisezeit werfen Experten der Mineralölbranche Abzocke vor. Die USA, Frankreich und Großbritannien denken über ein Anzapfen der Ölreserven nach. Deutschlands Entwicklungsminister Niebel fordert einen Produktionsstopp des Biokraftstoffs E10 - aus moralischen Gründen.

Markus Balser

Die 126-jährige Geschichte des Autos ist reich an Rekorden: Ob bei Geschwindigkeit, Reichweite oder Beschleunigung - immer wieder geht die Branche an ihre Grenzen. Der neueste Rekord allerdings führt eher die Fahrer in neue Grenzbereiche. Denn am Wochenende stiegen die Spritpreise in Deutschland auf ein neues Rekordniveau: Wie jetzt bekannt wurde, kostete ein Liter Super E10 im Schnitt 1,692 Euro - so viel wie noch nie. An vielen Tankstellen durchbrach der Preis sogar die Marke von 1,70 Euro. Damit knackte der Preis selbst die bisherige Rekordmarke von 1,674 aus dem April dieses Jahres.

Benzinpreis Grafik

Wie sich der Benzinpreis in Deutschland entwickelt hat.

Der rasante Anstieg trifft die Deutschen derzeit empfindlich. Denn sie kommen just zur erwarteten großen Rückreisewelle. In großen Bundesländern wie Bayern, Niedersachsen oder Sachsen laufen noch die Sommerferien. Für das Wochenende rechnet der ADAC deshalb mit großem Verkehrsaufkommen - und wirft der Mineralölbranche vor, die Kunden mit überteuerten Preisen abzukassieren.

Jürgen Albrecht, der Kraftstoffexperte sieht die Gründe für steigende Preise zwar auch in den hohen Rohölpreisen und im schwachen Euro. "Aber an Wochenenden mit viel Reiseverkehr steigt die Nachfrage an Tankstellen an, und das nutzen die Mineralölkonzerne natürlich auch für Preisaufschläge. Das war bisher immer so." Neue Argumente für weitere Erhöhungen sieht Albrecht nicht.

Angesichts des weiter hohen Rohölpreises rechnen die Ölmultis in absehbarer Zeit allerdings auch nicht mit einem grundsätzlichen Rückgang der Preise. Seit dem Tiefstand vor etwas mehr als sieben Wochen hat der Rohölpreis um rund 30 Prozent zugelegt. Große westliche Industrieländer wie die USA und Frankreich erwägen im Kampf gegen rekordhohe Benzinpreise harte Reaktionen und ein Anzapfen der strategischen Ölreserven.

Aus Kreisen in Washington und Paris sowie im britischen Energieministerium war Ende vergangener Woche verlautet, der Anstieg des Ölpreises um rund ein Drittel binnen weniger Monate sei Grund zur Sorge. Man stehe daher bereit, im Fall der Fälle zu handeln, hieß es. Die USA bestätigten inzwischen entsprechende Pläne.

Produktionsstopp für E10

In Deutschland verschärfen die hohen Öl- und Benzinpreise nun auch die Debatte um Biokraftstoffe. Beim Biosprit-Anteil von E10 hatte es zuletzt ebenfalls einen rasanten Preisanstieg gegeben. Umstritten ist der Einsatz von Kraftstoffen aus Weizen oder Mais aber vor allem wegen der weltweit stark steigenden Lebensmittelpreise, die das Hungerproblem verstärken.

Tanken Tankstellen Tankanzeige Benzinpreise

Pünktlich zum Ende der Urlaubszeit sind die Tanks leer. Experten des ADAC vermuten daher als Grund für das aktuelle Rekordniveau der Benzinpreise die Abzocke der Mineralölkonzerne.

(Foto: dpa)

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fordert deshalb einen Produktionsstopp für den Biokraftstoff. Die Produktion von E10 solle eingestellt werden, bis es möglich sei, dass "die essbaren Teile einer Pflanze Menschen zur Nahrungssicherung zur Verfügung stehen, und die nicht essbaren für die Energieversorgung", betonte der Minister am Montag in Berlin. Konkrete politische Schritte zu einem E10-Verbot will Niebel allerdings offenbar vorerst nicht einleiten: "Wir führen erstmal eine spannende öffentliche Diskussion", sagte er.

Niebel bekräftigte am Montag vor allem seine moralischen Einwände gegen die E10-Produktion. Er sei der festen Überzeugung, dass die starren Beimengungsvorschriften der Bundesrepublik, aber auch der USA dazu führen, dass Lebensmittelpreise "exorbitant steigen", sagte der Minister.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert den Generalangriff auf die Bioenergie aus Reihen der Politik sowie von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen als völlig unsachlich. "Die Bioenergie taugt nicht als Sündenbock für eine verfehlte Agrarpolitik", erklärt BEE-Präsident Dietmar Schütz. "Die wesentlichen Ursachen für Hunger sind Armut, Bürgerkriege und Klimawandel. Dazu kommen Überschuss-Exporte hoch subventionierter Lebensmittel aus den Industriestaaten, die einer heimischen Landwirtschaft in Entwicklungsländern dauerhaft den Boden entziehen. Hier sollten Kritiker den Hebel ansetzen", mahnt Schütz. "Das vielfach geforderte Ende der Biokraftstoffnutzung in Deutschland wäre mit Blick auf die Weltagrarpreise wirkungslos. Dafür ist deren Menge mit 0,1 Prozent der weltweiten Getreideernte für die deutsche Ethanolproduktion viel zu gering."

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