Benzinpreise:Was ist da los am Ölmarkt?

Tankstelle mit dem Slogan "Günstig Tanken"

Was heißt günstig in teuren Zeiten? Selbst ein paar Cent mehr lösen regelmäßig emotionale Debatten aus.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)
  • In der vergangenen Woche fiel der Ölpreis um sechseinhalb Prozent innerhalb nur eines einzigen Tages.
  • Gründe dafür sind eine schwächere Konjunktur und Verunreinigungen von Öl, was geringere Lieferungen zur Folge hat.
  • Trotz des niedrigen Ölpreises kosten Benzin und Diesel derzeit so viel wie noch nie in diesem Jahr.
  • Doch Verbraucher können Geld sparen, wenn sie entsprechende Apps nutzen.

Von Victor Gojdka

Als der Ölpreis am Donnerstag fiel wie ein Stein, war Rohstoffhändler Jim Iuorio die Dramatik anzusehen. "Der Preis ist zertrümmert worden", rief Iuorio über die Empore des Handelssaals der Chicagoer Terminbörse. "Diese Preiskurve sieht furchtbar aus", setzte er hinterher und fuchtelte mit den Händen, die aus den Ärmeln seiner blauen Händlerkluft ragten. Und in der Tat: Der Ölpreis hatte sechseinhalb Prozent nachgegeben. Innerhalb nur eines einzigen Tages. Selbst für einen altgedienten Rohstoffhändler wie Iuorio ist das alles andere als normal. "Diese Geschichte ist einfach grausam", beendete Iuorio seine Schalte mit dem Börsensender CNBC.

Iuorios Auftritt zeigt: Am Ölmarkt herrscht derzeit Ausverkaufsstimmung, schwache Konjunkturdaten schlagen den Händlern aufs Gemüt. Denn wenn die Weltwirtschaft nicht mehr läuft wie geschmiert, braucht es schließlich auch weniger Öl - so die Rechnung. "Und dann ging es auch noch unter die Marke von 70 Dollar", sagt Ölexperte Giovanni Staunovo von der Großbank UBS.

Verbraucher an den Tankstellen hierzulande merken davon nichts. Im Gegenteil. Der Preis für einen Liter Super E 10 ist in der abgelaufenen Woche über die psychologisch wichtige Marke von 1,50 Euro gestiegen, auf im Durchschnitt 1,527 Euro. So zeigt es eine Auswertung des Automobilclubs ADAC. Dieselfahrer mussten 1,316 Euro berappen, was nur auf den ersten Blick besser aussieht. Beide Preise haben einen Jahreshöchststand markiert. Und das, obwohl die Preise für Brentöl schon seit vier Wochen sinken. "Tanken ist derzeit schlicht zu teuer", sagt Katrin van Randenborgh vom ADAC.

Russischer Konzern stoppt Lieferungen wegen verunreinigtem Öl

Ein Grund für die steigenden Preise an der Zapfsäule könnte in einer schlagzeilenträchtigen Geschichte liegen, die ihren Ausgang wohl 3400 Kilometer östlich von München genommen hat, im russischen Örtchen Nikolajewka. Eigentlich ist dort an der Wolga nicht viel los, ein paar Hühner picken auf der Straße. Doch in den vergangenen Wochen ist Nikolajewka zum Zentrum eines Skandals geworden.

Denn hier sollen russische Ölexporte mit organischen Chloriden verschmutzt worden sein, im Ergebnis könnten bis zu 40 Millionen Fass Öl in der Druschba-Pipeline zwischen Russland und Westeuropa betroffen sein. Organische Chloride helfen normalerweise dabei, den Rohstoff schneller aus dem Boden zu holen. Gelangen die Chloride jedoch in die Öl-Raffinerien, können sie dort Korrosionsschäden verursachen, also Materialien zerfressen. Ende April stoppte der staatliche russische Pipelinekonzern Transneft deswegen die Lieferungen in der Druschba-Pipeline. Von Druschba, also Freundschaft, ist seitdem am Ölmarkt nicht mehr viel zu spüren.

In Deutschland sind vor allem zwei Raffinerien betroffen: Die Anlagen im brandenburgischen Schwedt und im sachsen-anhaltinischen Leuna, sie beliefern viele Tankstellen in Ostdeutschland mit Benzin und Diesel. Die Raffinerien verarbeiten nun Öl aus Lagerbeständen, lassen Ersatz aus Westdeutschland ankarren und versuchen, über die Ostseehäfen an Öl zu kommen. Solche Kurzfristlieferungen dürften teurer sein als reguläre Pipelinelieferungen. "Das schiebt natürlich die Benzinpreise an", sagt Ölexpertin Dora Borbély von der Fondsgesellschaft Deka. Ein Sprecher des Verbandes der Mineralölwirtschaft dementierte diese Sichtweise im Radiosender MDR-Aktuell: Das Druschba-Desaster habe keine zusätzlichen Preisaufschläge an der Zapfsäule zur Folge. Fakt ist jedoch, dass die Benzinpreise in den vergangenen Wochen gestiegen sind.

Wir das Öl knapp? Nein, sagen Experten

Vielleicht spielt bei den gestiegenen Preisen auch die gefühlte Wahrheit eine Rolle. Vielen scheint der Ölmarkt derzeit in Aufruhr: US-Präsident Donald Trump will die iranischen Ölexporte auf null drücken und hat deshalb Anfang Mai Importausnahmen zurückgenommen.

Am Wochenende bezichtigten US-Offizielle Iran außerdem, hinter Angriffen auf saudische Öltanker und eine saudische Pipeline zu stehen. Und zu allem Übel drohte Iran Ende April auch noch damit, die Straße von Hormus zu blockieren - das vielleicht wichtigste Nadelöhr für den weltweiten Ölmarkt. Es hat den Anschein, dass das Pulverfass am Golf den Ölmarkt schockiert. Betonung auf: Anschein. Denn am Ölmarkt setzte sich in den vergangenen Wochen eine andere Lesart durch: Eine Eskalation am Golf werde es wohl nicht geben, und Öl sei auch nicht knapp, weil die Weltkonjunktur lahme und damit die Nachfrage verringere.

Allein in der abgelaufenen Woche kamen schlechtere Konjunkturprognosen aus China, enttäuschende Einkaufsmanagerdaten aus den USA. Dazu überraschend hohe Öllagerdaten aus den Vereinigten Staaten. "Es gibt überhaupt keinen Grund für Sorgen, dass auf einmal massiv Öl fehlen könnte", sagt Deka-Expertin Borbély. Und solche Erwägungen lassen derzeit die Weltmarktpreise eben fallen. Warum die Benzinpreise hingegen galoppieren? Ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes argumentierte, zumindest seit Jahresbeginn - also auf längere Sicht - seien die Ölpreise ja gestiegen.

Autofahrer sollten abends tanken

Verbraucher können den hohen Benzinpreisen jedoch ein Schnippchen schlagen. Spritspar-Apps können Unterschiede zwischen verschiedenen Tankstellen offenlegen. Und auch im Tagesverlauf klafft an ein- und derselben Tankstelle oft eine Kluft. Morgens zur Stoßzeit zwischen sechs und neun Uhr ist es laut ADAC am teuersten, sechs Cent mehr als im Tagesschnitt kann es da kosten. "Die beste Zeit ist deshalb abends zwischen 19 und 22 Uhr", sagt Katrin van Randenborgh vom ADAC. Was nach Pfennigfuchserei klingt, kann sich übers Jahr gesehen läppern.

Dass der Rat mit den Tageszeiten kein alter Hut ist, zeigt zudem eine Auswertung von Ökonomen der Goethe-Universität in Frankfurt: Seit Anfang April erhöhen viele Tankstellen ihre Preise nicht mehr nur gegen 6 Uhr, 13 Uhr, 16 Uhr und 22 Uhr - sondern zusätzlich auch einmal vormittags gegen 10 Uhr. Manch einer muss nun also seine innere Uhr umprogrammieren.

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