Michel Mallet, 58, stieg direkt nach seiner Ausbildung zum Bergbauingenieur im Jahr 1976 beim Mineralölkonzern Total ein. Nach etlichen Stationen im Ausland war er bei der Total-Gruppe bis 2006 als Direktor für Marketingentwicklung tätig. Seit September 2006 leitet Mallet die deutsche Total-Niederlassung in Berlin.

sueddeutsche.de: Herr Mallet, vor 15 Jahren blieb der Benzinpreis in Deutschland noch über Tage hinweg konstant. Seit einigen Jahren verändern sich die Preise häufiger und die Schwankungen sind viel höher. Warum ist das so?
Michel Mallet: Die hohen Preisschwankungen sind ein typisch deutsches Phänomen. Sie sind ein Zeichen für den hohen Wettbewerb in Deutschland.
sueddeutsche.de: In Deutschland herrscht ein hoher Wettbewerb? Eigentlich entsteht eher der Eindruck, die Mineralölfirmen würden sich bei den Preisen absprechen.
Mallet: In vielen Regionen herrscht ein regelrechter Preiskampf zwischen den Tankstellen. Da kann es passieren, dass Jet oder Aral die Preise um drei Cent senken, um einen höheren Absatz zu erzielen. Das sieht dann ein Total-Pächter, der uns darüber informiert. In den meisten Fällen ziehen wir nach - dann entsteht eine Kettenreaktion.
sueddeutsche.de: Beim Autofahrer ist in den letzten Jahren nicht der Eindruck sinkender Benzinpreise entstanden.
Mallet: Kurzfristig kann es immer wieder zu einer Abwärtsspirale kommen. Die Gewinnmarge bei Benzin ist relativ gering. Sinken die Preise zu stark, kann es sogar vorkommen, dass wir zeitweise Verluste machen. Das können wir nicht lange durchhalten. Also müssen wir die Preise wieder erhöhen - und die Konkurrenz natürlich auch. Denn im Grunde zahlen am Benzinmarkt in Rotterdam alle Wettbewerber dieselben Preise.
sueddeutsche.de: Sie nehmen also angeblich sogar Verluste in Kauf?
Mallet: Wir müssen sie akzeptieren. Unsere Preisabteilung arbeitet 24 Stunden am Tag. Die Kollegen haben eine Zielvorgabe, wie hoch die Durchschnittsmarge im Monat sein soll. Wenn wir die Preise erhöht haben, sind wir über diesem Ziel und versuchen natürlich, wie ein guter Kaufmann die Marge zu halten. Aber natürlich müssen wir dann auf Preissenkungen der Konkurrenz reagieren.
sueddeutsche.de: Ihre Preisabteilung kann die Benzinpreise sofort senken?
Mallet: Das geht heute in wenigen Minuten. Aber natürlich hat die Abteilung nur eine Vollmacht über eine bestimmte Preisspanne. Wird diese Spanne unterschritten, entscheidet der Direktor des Tankstellenbereichs. Und wenn der glaubt, die Schmerzgrenze ist erreicht, dann folgen wir dem Wettbewerb nicht. Am Ende des Monats muss der Saldo stimmen.
Lesen Sie im zweiten Teil, was laut Michel Mallet die moderne Technik mit häufig wechselnden Benzinpreisen zu tun hat.
sueddeutsche.de: Sie haben erklärt, wie die hohen Schwankungen zustande kommen. Das Phänomen, dass der Preis so häufig schwankt, wird damit aber nicht erklärt.
Mallet: Auch wenn es komisch klingt: Daran sind vor allem die Informationssysteme schuld.
sueddeutsche.de: Konkret, das Internet?
Mallet: Heute kann man online die Preise an jeder unserer Tankstellen kontrollieren und verändern - in wenigen Augenblicken. Wir haben ständig alle Faktoren für die Preisbildung auf dem Schirm: Den Dollar-Euro-Kurs, den Rohölpreis, jeden Benzinpreis an jeder unserer Tankstellen und natürlich auch das Saldo unserer Marge. Wir haben alle Informationen, die wir für die Preisbildung benötigen, in Minutenschnelle. Das war vor 15 Jahren noch anders. Die neuen Systeme sind schuld daran, dass die Preise häufiger schwanken - genauso wie der Wettbewerb.
sueddeutsche.de: Wie ist die Situation in den anderen europäischen Ländern?
Mallet: Die Preise wechseln europaweit genauso, aber nicht so schnell wie in Deutschland. In Frankreich kann man erleben, dass die Preise zwei Tage lang gleich bleiben. Hier in Deutschland ändern sie sich manchmal alle zwei Stunden. Das liegt am Wettbewerb, der in Deutschland am härtesten ist. Meine europäischen Kollegen fragen mich immer: Wie kannst du da überleben? Aber die Deutschen haben die Aldis und Lidls entwickelt. Die Preissensibilität ist absolut unglaublich.
sueddeutsche.de: Verantwortlich für die hohen Preise ist vor allem der hohe Ölpreis. Inzwischen kostet ein Barrel Rohöl über 115 Dollar. Wie lange dauert es, bis sich derartige Preiserhöhungen auf die Benzinpreise durchschlagen?
Mallet: Das geht mehr oder weniger parallel und ist ein stetiger Prozess. Wir verkaufen 1000 Tonnen Benzin und müssen sofort 1000 Tonnen nachkaufen. Manchmal federt der Wettbewerb diese Erhöhung wieder ab. Und auch der starke Euro sorgt dafür, dass bei einer Steigerung des Ölpreises von zehn Prozent nicht auch Benzin zehn Prozent teurer wird.
sueddeutsche.de: Können Sie garantieren, dass der Benzinpreis morgen nicht sechs Cent höher ist?
Mallet: Das kann ich nicht. Sicher werden die Preise morgen niedriger sein. (lacht)
sueddeutsche.de: Sicher?
Mallet: Kann sein, kann aber auch nicht sein. Kaufen Sie Ihr Benzin lieber heute.