Bentley:Luxus-Probleme

Die englische VW-Tochter machte im vorigen Jahr hohe Verluste. Der Chef verspricht nun die Wende und will mehr in Roboter investieren. Wenn nur nicht der Brexit wäre: Ein ungeregelter EU-Austritt würde teuer.

Von Björn Finke, Crewe

Die feuerrote Karosserie des Bentley Continental GT hängt an Schienen von der Decke der Fabrikhalle. Auf einer fahrbaren Plattform am Boden befindet sich der Antriebsstrang mit dem Achtzylinder-Motor. Die Plattform hebt den Motor an. Ein Arbeiter greift sich einen Schwenkarm mit einem mächtigen Schraubenzieher und befestigt die Karosserie am Antrieb - "Hochzeit" wird diese Station in einem Autowerk genannt. Danach halten 16 Schrauben auf jeder Seite den englischen Luxusschlitten zusammen.

Die Volkswagen-Tochter Bentley stellt sämtliche Fahrzeuge in dieser Fabrik in Crewe her, einer Industriestadt südlich von Manchester. Von den 4200 Beschäftigten weltweit arbeiten 4000 in der Zentrale, und davon fast die Hälfte im Werk, das drei Fertigungsstraßen hat. Auf der Produktionsstraße mit dem feuerroten Continental rückt alle neun Minuten eine Karosserie zur nächsten Station vor. "Vor wenigen Monaten waren es noch zwölf Minuten", sagt Adrian Hallmark. Der 56-Jährige ist seit vergangenem Jahr Chef von Bentley, zuvor war er Strategievorstand bei Jaguar Land Rover. Während eines Rundgangs durch das Werk spricht der Brite mit großem Enthusiasmus darüber, wie er die Fertigung moderner und effizienter gemacht hat - und weiter machen will.

Solche Fortschritte sind auch nötig, denn verglichen mit anderen Luxusmarken bleibt bei dem 1919 - vor hundert Jahren - gegründeten Unternehmen vom Umsatz wenig als Gewinn hängen. Im vergangenen Jahr verbuchte die Volkswagen-Tochter sogar einen Verlust von 288 Millionen Euro, bei einem um ein Sechstel gesunkenen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Grund war unter anderem der verkorkste Produktionsstart des neuen Continental GT. "Das war der schwierigste Produktionsstart in der Geschichte Bentleys", sagt Hallmark. "Wir brauchten sechs bis acht Monate, um die Probleme abzustellen."

Luxury Automobile Production At Bentley Motors Ltd.'s Production Plant

Inspektion eines Bentley Flying Spur in der Fabrik im nordenglischen Crewe: Das Werk soll demnächst mehr Fahrzeuge herstellen.

(Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Bentley und seine Zulieferer seien auf die komplizierte Fertigung dieses Modells nicht ausreichend vorbereitet gewesen, sagt der Manager, der den Spitzenposten im Februar 2018 vom Deutschen Wolfgang Dürheimer übernommen hat. Wie andere Autokonzerne leidet Bentley zudem unter Verzögerungen bei der Umstellung auf das neue Abgas-Testverfahren WLTP, das vorigen September in Europa in Kraft trat.

Für das laufende Jahr verspricht Hallmark wieder höhere Umsätze sowie einen Gewinn. Der Vorstandschef möchte die Produktion weiter modernisieren - allein schon, um mehr Fahrzeuge herstellen zu können. "Bentley soll wachsen und in zwei bis drei Jahren sein volles Potenzial erreichen", sagt Hallmark, der bereits von 1999 bis 2005 in Crewe gearbeitet hat. Im vergangenen Jahr lieferte Bentley 10 500 Luxusautos aus. Kunden in Europa investieren durchschnittlich 200 000 Euro in ihr Fahrzeug, wobei es durchaus auch mehr als das Doppelte sein kann. Wichtigster Markt sind die USA; Deutschland kommt auf Platz vier. Hallmark legt sich nicht fest, um wie viel er die Verkäufe steigern will: "Wir werden sicher keine 20 000 Autos pro Jahr absetzen, aber mehr als 11 000."

Dass die Fertigung schon schneller geht, ist Ergebnis vieler kleiner Änderungen über die vergangenen Monate. Hallmark krakelt auf einem Zettel herum. "Das waren früher die Laufwege der Arbeiter an den Stationen", sagt er. Daneben zeichnet er eine klare Zick-Zack-Linie: "So ist es heute. Wir haben Verschwendung und Doppelungen rausgenommen, haben Reihenfolgen verändert." Der Ingenieur will zudem mehr in Roboter investieren. Früher verzichtete Bentley komplett auf Roboter; schließlich stützt sich das Luxusimage auch darauf, dass die Wagen weitgehend von Hand hergestellt werden. Und Schweißroboter sind nicht nötig, denn die allermeisten Karosserien liefert das Leipziger Werk der Schwestermarke Porsche oder die Volkswagen-Fabrik im slowakischen Bratislava.

Erst vor zwei Jahren führte Bentley die ersten Roboter ein. Inzwischen sind es acht: sechs in der Holzverarbeitung, zwei an den Produktionsstraßen. In der Holzabteilung steht einer der mechanischen Helfer in einer Schutzkabine, greift sich ein edles Furnier für die Innenverkleidung und hält das Holzstück zum Schleifen an rotierende Rollen mit Sandpapier. Hallmark sagt, die acht Roboter zerstörten keine Jobs. Die betroffenen Beschäftigten würden fortgebildet und für anspruchsvollere Tätigkeiten eingesetzt. Roboter könnten in Zukunft viele weitere einfache Aufgaben übernehmen, sagt der Chef. So könnten selbstfahrende kleine Roboter-Lieferwagen die Fertigung mit Nachschub versorgen, anstelle von Gabelstaplern mit Menschen am Steuer.

Bentley: Adrian Hallmark, 56, ist seit Februar 2018 Chef von Bentley. Zuvor war der Brite Strategievorstand beim britischen Autohersteller Jaguar Land Rover. Er hatte aber bereits früher für Bentley und Volkswagen gearbeitet.

Adrian Hallmark, 56, ist seit Februar 2018 Chef von Bentley. Zuvor war der Brite Strategievorstand beim britischen Autohersteller Jaguar Land Rover. Er hatte aber bereits früher für Bentley und Volkswagen gearbeitet.

(Foto: Privat)

Auch bei den Autos plant Hallmark große Veränderungen: Er will bis 2025 - "doch hoffentlich schneller" - für alle Modelle eine Version mit Hybridantrieb auf den Markt bringen, also mit Benzin- und Elektromotor. Den Verkauf von Dieselfahrzeugen hat Bentley in Europa bereits gestoppt. Bislang steht lediglich bei einem Modell Hybridantrieb zur Auswahl, beim Bentayga, einem SUV, einem dieser beliebten Pseudo-Geländewagen.

Zölle nach einem harten Brexit würden Bentley zweistellige Millionenbeträge kosten

Ebenfalls bis 2025 möchte Hallmark einen Bentley nur mit Elektromotor entwickeln. Das ist eine ziemliche Herausforderung, denn die Luxusschlitten sind schwer. "Damit so ein Bentley kein sehr teures Auto für sehr kurze Strecken wird, muss die Leistung der Batterien besser werden", sagt der Manager. Er denke aber, dass die Batterietechnologie bis Mitte des kommenden Jahrzehnts genügend Fortschritte machen werde.

Eine weitere Herausforderung ist der Brexit. Viele der Kandidaten, die Theresa May als britische Premierministerin ablösen wollen, versprechen, das Königreich am 31. Oktober zur Not auch ohne gültigen Austrittsvertrag aus der EU zu führen. Dann fiele die vereinbarte Übergangsphase weg, in der sich wenig ändern soll. Stattdessen würden sofort Zölle und Zollkontrollen eingeführt. An den Häfen könnte es zu Staus und Chaos kommen - ein Riesenproblem für die britische Autoindustrie, die auf steten Nachschub von Zulieferteilen vom Festland angewiesen ist. Bentley hat zusätzlichen Lagerraum in der Nähe der Fabrik angemietet und hält nun mehr Teile vorrätig, um gegen Verzögerungen an den Häfen gewappnet zu sein. Das koste zwei bis drei Millionen Pfund pro Jahr, sagt Hallmark. "Aber ein Stopp der Produktion, weil Teile fehlen, würde zehn bis 15 Millionen Pfund kosten: pro Woche."

Zölle würden Bentley mit zweistelligen Millionenbeträgen jährlich belasten, klagt der Chef. Doch könnten Einsparungen, höhere Preise und ein stärkerer Fokus auf Märkte außerhalb Europas den Großteil dieser Kosten auffangen, sagt Hallmark. "Unsere Existenz wäre nicht bedroht." Eins ist trotzdem klar: "Für Bentley bietet der Brexit keinerlei Vorteile."

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