Nach der Insolvenz:Großrazzia gegen das Netzwerk von René Benko

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Polizisten, Zivilfahnder, das österreichische Spezialeinsatzkommando, eine Drohne und Schaulustige: volles Programm vor der Luxusvilla René Benkos in Innsbruck-Igls. (Foto: Markus Angerer/dpa)

Die Wiener Staatsanwaltschaft lässt die Anwesen und Büros des österreichischen Unternehmers durchsuchen – und die enger Mitarbeiter. Dabei könnte es um den Verdacht des Kreditbetrugs und des Verschiebens von Vermögen gehen.

Von Michael Kläsgen, Uwe Ritzer

Am Dienstag hat die österreichische Polizei mehrere Anwesen und Bürogebäude des österreichischen Unternehmers René Benko durchsucht. Unter den Objekten war auch Benkos Luxusvilla im Innsbrucker Stadtteil Igls, die als Wohnsitz des Signa-Gründers gilt. Bei dem Anwesen handelt es sich um das etwa 6000 Quadratmeter große sogenannte Schlosshotel. Kurz vor der Insolvenz seines Immobilien- und Handelsunternehmens hatte Benko auf dem Gelände die „Blaue Grotte von Capri“ nachbauen lassen. Die Residenz wurde am Dienstagvormittag zwischenzeitlich von der Spurensicherung abgeriegelt.

Auch die Signa-Zentrale in Wien durchsuchte die Polizei. Augenzeugen beobachteten laut Medienberichten, wie Polizisten einen Metallcontainer mit rund 70 bis 80 Kilo Inhalt abtransportierten. Laut der Nachrichtenagentur dpa wurden auch die Signa Holding in Innsbruck sowie die Immobiliengesellschaften Signa Prime und Signa Development in Wien untersucht.

Benkos Anwalt Norbert Wess und der Insolvenzverwalter der Signa Holding, Christof Stapf, bestätigten die Razzien. Wess zufolge geht es dabei darum, Unterlagen zu bereits bekannten Vorwürfen sicherzustellen. Stapf sagte, die Razzien seien von der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeordnet worden. Erste Maßnahmen, um Daten zu sichern, seien bereits im Dezember eingeleitet worden. Unter anderem seien die Sachverständigen der Beraterfirma Deloitte dafür zuständig. In Internetforen war nach Bekanntwerden der Durchsuchungen Kritik laut geworden, die Razzien kämen viel zu spät.

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Razzien an mehreren Orten gleichzeitig

Im Frühjahr war bekannt geworden, dass die Behörden nach dem Zusammenbruch des Signa-Konzerns auch gegen Benko selbst ermitteln. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, bei der Verlängerung von Bankkrediten wider besseres Wissen vorgetäuscht zu haben, zahlungsfähig zu sein. Dabei soll es um einen 25-Millionen-Euro-Kredit einer österreichischen Bank gehen, bei dessen Verlängerung im vergangenen Sommer Benko das Institut über die finanzielle Lage der Signa-Gruppe getäuscht haben soll. Benkos Anwalt wies die Vorwürfe damals zurück. Ein anderer Vorwurf lautet, dass Signa finanzielle Mittel innerhalb der Gruppe nicht widmungsgemäß verwendet oder, salopp ausgedrückt, verschoben habe. Den Verdacht hatten auch Geldgeber Benkos in den vergangenen Monaten geäußert.

Das mutmaßlich unsaubere Finanzgebaren könnte der Grund dafür sein, dass die Razzien laut österreichischen Medienberichten an fünf bis zehn unterschiedlichen Orten gleichzeitig stattfanden. Darunter auch an den Privatadressen langjähriger enger Mitarbeiter Benkos, etwa dem Domizil des Signa-Finanzchefs Manuel Pirolt, wie sein Anwalt Michael Rohregger dem österreichischen Rundfunk bestätigte. Die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt Pirolt in fünf Fällen als Beschuldigten. Er weist alle Vorwürfe zurück. Auch beim früheren Signa-Holding-Vorstand Christoph Stadlhuber sei die Polizei am Dienstag gewesen, sagte dessen Anwalt Otto Dietrich.

Zudem prüft die Staatsanwaltschaft, ob der 47-jährige Benko versucht hat, einen hochrangigen österreichischen Finanzbeamten zu bestechen. Benkos Anwälte haben alle Vorwürfe zurückgewiesen. Die WKStA äußerte sich zunächst nicht zu den Hausdurchsuchungen.

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Laut Wiener Staatsanwaltschaft geht es um den Verdacht, Benko könnte Zahlungsfähigkeit vorgetäuscht haben, damit Banken Kredite verlängern. Sein Anwalt weist die Vorwürfe zurück.

Größte Pleite in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte

Hintergrund für die Ermittlungen wegen Kreditbetrugs soll eine Anzeige des Rechtsanwalts Johannes Zink sein. Danach soll Zink bestätigt haben, mehrere Strafanzeigen für verschiedene Geschädigte eingebracht zu haben. Dabei gehe es Betrug, Untreue und betrügerische Krida. Gemeint ist damit die betrügerische oder grob fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners. Dabei könnte Benko direkt involviert gewesen sein. Benkos Signa-Holding meldete Ende November 2023 Insolvenz an. Auch in Deutschland laufen Verfahren gegen Benkos Unternehmen. So bestätigte die Staatsanwaltschaft in München, wegen des Verdachts auf Geldwäsche zu ermitteln.

Benkos Anwalt Wess teilte schriftlich mit, sein Mandant verhalte sich „kooperativ und konstruktiv“. Das hätten die Behörden ihm bestätigt. Den Einsatz von Staatsanwaltschaft und Polizei bezeichnete er als „sehr professionell“. Ob Benko persönlich in Igls anwesend war, als die Razzia begann, war zunächst unklar. Seine Frau kam gerade in Sportbekleidung vom Gassigehen mit dem Hund zurück, als die Polizei mit mehreren Wagen und Transportern vorfuhr, wie die Kronen-Zeitung berichtet. Neben mehreren Polizeistreifen sei auch das österreichische Spezialeinsatzkommando Cobra und eine Drohne an der Luxusvilla gesichtet worden. Auf den Fotos, die die Zeitung veröffentlicht hat, sind auch bewaffnete und vermummte Einsatzkräfte in schusssicherer Weste zu sehen. Zahlreiche Nachbarn und Schaulustige sollen sich vor der Villa versammelt haben.

Die Insolvenz des Signa-Konzerns ist die größte Pleite in der Wirtschaftsgeschichte Österreichs. Ende April war auch über das Vermögen Benkos ein Konkursverfahren eröffnet worden. Seit der Konkurseröffnung will Benko offiziell von 3700 Euro im Monat leben. Es besteht allerdings auch hier der Verdacht, dass er Vermögenswerte in Stiftungen in Österreich und in Liechtenstein transferiert haben könnte. 

Zu Benkos Projekten gehörten auch viele Immobilien in deutschen Großstädten, darunter der Elbtower in Hamburg, die Alte Akademie in München, das Luxuskaufhaus KaDeWe und die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof.

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