Benachteiligung:Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist schäbig und beschämend

Benachteiligung: Wer sich mit einem fremd klingenden Namen oder Kopftuch auf Jobsuche begibt, hat es deutlich schwerer.

Wer sich mit einem fremd klingenden Namen oder Kopftuch auf Jobsuche begibt, hat es deutlich schwerer.

(Foto: Ralph Peters/imago)

Menschen mit Migrationshintergrund haben es noch immer schwerer, einen Job zu finden - selbst, wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind. Wirtschaft und Gesellschaft vergeben so eine Chance.

Kommentar von Katharina Kutsche

Etwa 60 Jahre ist es her, dass die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen und dem Land zu neuer Blüte verhalfen. Mit Kollegen aus anderen Nationen und anderen Kulturen Seite an Seite zu arbeiten, ist daher nun wirklich nichts Neues. Trotzdem haben es Menschen mit Migrationshintergrund auch heute noch schwer, auf dem Arbeitsmarkt anerkannt zu werden. Für eine Industrienation, die sich als Export-Weltmeister ihrer globalen Wirtschaftsmacht rühmt, ist das beschämend.

Das Schlimme ist, dass es auch diejenigen trifft, die nicht erst seit gestern hier leben. Kinder und Enkel der früheren Gastarbeiter, die in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, eine Ausbildung absolviert oder studiert haben. Oder die Nachkommen der Spätaussiedler, auch schon wieder seit mindestens 20 Jahren zwischen Flensburg und Garmisch zu Hause. Auf sie alle trifft zu, was das Statistische Bundesamt als Migrationshintergrund definiert: Sie sind Deutsche, aber nicht von Geburt an, oder sie haben Vater oder Mutter, bei denen das der Fall ist. Immerhin 18,6 Millionen Menschen fallen in diese Kategorie.

Nach aktuellen Studien müssen etwa junge Frauen mit türkischem Nachnamen deutlich mehr Bewerbungen schreiben als eine deutsche Jobsuchende, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Trägt die Bewerberin auf ihrem Foto ein Kopftuch, verstärkt sich das Problem weiter - wohlgemerkt bei jeweils gleicher Qualifikation. Gleichzeitig suchen Unternehmen dringend Fachkräfte, eine Million Stellen sind derzeit unbesetzt, dazu kommen 43 500 freie Ausbildungsplätze.

Es ist schäbig, jemanden allein aufgrund seiner Herkunft, seiner Ethnie oder seiner Religion abzulehnen. Wen das emotional nicht berührt, dem sei gesagt, dass es sich die deutsche Wirtschaft nicht leisten kann, weiter eine Personengruppe zu diskriminieren, die mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung ausmacht.

Unternehmer sollten die Chancen der Vielfalt sehen

Erstens: Diskriminierung ist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten, und das seit mehr als zehn Jahren. Trotzdem kennen viele Unternehmer die Regelungen nicht gut genug oder, schlimmer noch, umgehen sie so, dass sie nicht angreifbar sind. Zweitens: Wer das Problem offensiv angehen will, kann sich beraten lassen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hilft mit Handreichungen für Unternehmen und informiert über die Rechtsprechung zum AGG. Auch interkulturelle Kompetenz lässt sich trainieren, eine Investition in die Unternehmenskultur.

Drittens: Unternehmer und Personaler sollten ihren Blick weiten und die Chancen sehen, die ihnen Mitarbeiter unterschiedlicher Herkunft und Ethnie bringen. Sie sind in aller Regel zweisprachig aufgewachsen und können sich in mehr als einem Kulturkreis bewegen. Wer mit seiner Firma ins Ausland expandieren oder im Inland neue Zielgruppen erschließen will, braucht solche Kollegen. Das betrifft den international agierenden Konzern genauso wie den Mittelstand oder den lokalen Handwerksbetrieb.

Viertens: Verantwortliche sollten ihrer Belegschaft und ihren Kunden mehr zutrauen. Es ist absurd, dass Personalentscheider nicht unbedingt eigene Vorurteile pflegen, sondern vermeintliche Vorbehalte anderer einkalkulieren, wenn sie Bewerber mit ausländischem Namen oder dunklerer Hautfarbe ablehnen. Mit anderen Worten: Sie unterstellen, Kollegen und Kunden könnten sich daran stören, mit Frau Krasniqi zu arbeiten oder von Herr Özkan beraten zu werden. Mit Sicherheit wird eine solche Annahme vielen Menschen nicht gerecht.

Noch mal: Es geht um Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind. Argumente wie Sprachbarrieren, schlechte Integration, ausländische Abschlüsse, die hier nicht anerkannt werden - sie ziehen in diesem Fall nicht. Trotzdem zeigen Reaktionen auf Studien zur Diskriminierung, dass viele Deutsche immer noch alle vermeintlich Fremden in einen Topf werfen. Geflüchtete, Migranten, Menschen mit Migrationshintergrund: alles das Gleiche und alle gleich problembehaftet. Diese undifferenzierte Haltung muss sich endlich ändern.

Schon jetzt verlassen junge hoch qualifizierte Deutsche, die im Berufsleben Zurückweisung erleben, das Land und arbeiten woanders. Sie fühlen sich lieber im Ausland fremd als in ihrer Heimat. Und diejenigen, die sich um einen Ausbildungsplatz bemühen, sind mit den gleichen Problemen konfrontiert. So wird eine ganze Generation von Ablehnung geprägt - Teilhabe und Chancengleichheit sehen anders aus. An der Schwelle zum Jahr 2018 sollten wir deutlich weiter sein.

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