Nordirland:Die "Titanic"-Werft baut wieder Schiffe

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Das britische Passagierschiff RMS Titanic, das im April 1912 im Atlantik gesunken ist, stammt aus der Harland-Werft. (Foto: IMAGO/UIG)

Harland & Wolff war insolvent und stand vor dem Untergang. Nun gibt es wieder einen Auftrag - und damit Hoffnung für die Industrie-Ikone in Belfast.

Von Alexander Mühlauer, London

Als die Titanic im Frühjahr 1911 vom Stapel lief, war man in Belfast mächtig stolz. Dort, in der Werft Harland & Wolff, wurde das damals größte Schiff der Welt gebaut. Ein 270 Meter langer Luxusdampfer, auf dem mehr als 2200 Passagiere und Besatzungsmitglieder Platz hatten. Das Schicksal der Titanic ist weltbekannt, etwa 1500 Menschen starben, als das Schiff im Jahr 1912 auf dem Weg von Europa nach Amerika mit einem Eisberg kollidierte und sank. Die Geschichte des tragischen Untergangs ist seitdem unzählige Male erzählt worden. In Belfast ist es nun wieder soweit.

Diesmal geht es allerdings weniger um die Titanic als um die Werft, in der sie gebaut wurde. Harland & Wolff stand in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder vor dem Aus, zuletzt vor vier Jahren, als die Firma Insolvenzantrag stellen musste. Doch nun gibt es wieder Hoffnung. Der britische Unternehmer John Wood, der die Werft 2020 für sechs Millionen Pfund (6,8 Millionen Euro) kaufte, hat einen neuen Auftrag an Land gezogen. In Zusammenarbeit mit dem spanischen Rüstungsunternehmen Navantia soll Harland & Wolff drei Schiffe für die britische Marine bauen.

Der Auftrag der Royal Navy hat ein Volumen von 1,6 Milliarden Pfund, also umgerechnet etwa 1,8 Milliarden Euro. Geht es nach der britischen Regierung, soll damit nicht nur eine Industrie-Ikone wiederbelebt werden, sondern auch eine Region, die zu den ärmsten im Vereinigten Königreich zählt. Werften-Besitzer Wood drückt es im Gespräch mit der Financial Times so aus: "Wir haben hier eine Chance bekommen."

Diese Chance will er nutzen. Für seine Werft und für Belfast. Seit 20 Jahren ist hier kein Schiff mehr vom Stapel gelaufen. Das soll sich nun ändern. Der Bau der Marineboote soll 2025 beginnen, 2032 sollen sie fertiggestellt sein. Bis dahin will Werft-Besitzer Wood die Zahl der Mitarbeiter verfünffachen, derzeit liegt sie bei 210. Historisch betrachtet ist das nicht gerade viel. Bei Harland & Wolff waren zu Kriegszeiten mehr als 30 000 Menschen beschäftigt.

Im Titanic Quarter sitzen die Menschen abends draußen, essen und trinken

Zwei gelbe Kräne der Werft prägen die Silhouette der nordirischen Hauptstadt bis heute. Sie werden Samson und Goliath genannt und sind ein Symbol für das wirtschaftliche Auf und Ab. Im frühen 20. Jahrhundert galten die Schiffe, die in Belfast gebaut wurden, als die besten der Welt. Die Docks waren der Stolz der ganzen Stadt, brachten sie doch vor allem eines mit sich: gut bezahlte Arbeitsplätze.

Gegründet wurde die Werft Harland & Wolff im Jahr 1861 von dem Briten Edward Harland und dem aus Hamburg stammenden Gustav Wolff. Ihre Werft war auf die Produktion von Ozeandampfern spezialisiert. In Belfast wurden Schiffe der sogenannten "Olympic"-Klasse gebaut, zu denen auch die Titanic zählte.

Der Geschichte des Luxusdampfers lässt sich in Belfast am besten im Titanic Quarter nachspüren. Dort wurde zum 100. Jahrestag des Schiffuntergangs ein Museum eröffnet. Sechs Etagen hat es, so wie einst die Titanic. Von ganz oben hat man einen herrlichen Blick auf die Werft, auf Samson und Goliath. Gleich daneben sind die Titanic Studios, wo ein Teil der Serie "Game of Thrones" gedreht wurde. Abends sitzen die Menschen im Titanic Quarter draußen am Wasser, trinken und essen.

Der britische Premierminister Rishi Sunak, Werftenchef John Wood und Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris (v.li.) bei Harland & Wolff im Dezember vorigen Jahres. (Foto: CHARLES MCQUILLAN/AFP)

Wenn man so will, steht das Viertel für das neue Belfast. Anders als in den Stadtvierteln entlang der Friedensmauern, sieht man hier keine irischen und britischen Flaggen, die an den ewigen Streit zwischen loyalistischen Protestanten und republikanischen Katholiken erinnern. Für eine Stadt, die die Wunden des blutigen Nordirland-Konflikts längst nicht überwunden hat, ist das alles andere als selbstverständlich.

Dass mit Harland & Wolff nun ausgerechnet eine frühere Hochburg der protestantischen Arbeiterschaft für die Zukunft der Stadt stehen soll, ist schon bemerkenswert. Die britische Regierung hofft jedenfalls, dass der Schiffbau in Belfast ein Revival erlebt. Als der britische Verteidigungsminister Ben Wallace die Harland & Wolff-Werft im Januar besuchte, zeigte er sich nicht nur beeindruckt von der Geschichte, er versprach auch ein Vier-Milliarden-Pfund-Programm für die Schiffbauindustrie. Davon soll nicht nur Belfast profitieren, sondern auch so manch anderer Standort im Königreich.

Ob sich das auszahlt, wird sich zeigen. In der Titanic-Stadt Belfast gibt es jetzt immerhin die Hoffnung, dass der Schiffbau hier eine Zukunft hat. Und das ist ja schon mal was.

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