Süddeutsche Zeitung

Allianz: Geld für den Unrechtsstaat

Die belarussische Opposition wirft der Allianz vor, durch Anleihen-Investments den Unterdrückungsapparat von Machthaber Lukaschenko mitzufinanzieren.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es lief nicht gut für den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko im Juni 2020. In der Bevölkerung machte sich Unmut breit über das Regime. Es zeichnete sich ab, dass bei der Präsidentenwahl im August nicht alles nach Plan laufen würde. Zwei potenzielle Kandidaten ließ Lukaschenko vorsorglich verhaften, Hunderte Teilnehmer an Protesten wurden vorübergehend festgenommen.

Doch die belarussische Nachrichtenagentur Belta konnte eine Erfolgsmeldung verbreiten. "Insgesamt 1,25 Milliarden US-Dollar aus zwei Eurobond-Emissionen wurden am 24. Juni in den Haushalt überwiesen", vermeldete die Agentur. Abgewickelt worden sei die Emission über große westliche Geldhäuser, darunter Citigroup, Raiffeisen Bank International und Société Générale. Als Investor mit dabei war nach Erkenntnissen der belarussischen Opposition auch die Allianz.

Der Dax-Konzern gehört zu den Unternehmen, die in den vergangenen Wochen Post bekommen haben von Belarussen, die vom Exil aus den Kampf gegen Lukaschenko führen. Mit ihrem Engagement ignoriere die Allianz "Menschenrechtsverletzungen in Belarus, die sehr wahrscheinlich durch dieses Investment finanziert werden", schrieb Dimitrij Shulkin von der "Botschaft des Volkes von Belarus", die in Deutschland als Vertretung der im litauischen Exil befindlichen belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja agiert. Die Opposition geht davon aus, dass der deutsche Konzern etwa 86 Millionen Euro investiert hat.

Am Montag wollen Exil-Belarussen vor der Konzernzentrale in München protestieren

"Die Allianz-Gruppe hat, wie auch andere Investoren, einzelne Investitionen in weißrussischen Staatsanleihen, die auch Teil bestimmter Indices sind", bestätigte eine Sprecherin der Süddeutschen Zeitung. Zu einzelnen Investments äußere man sich aber grundsätzlich nicht weiter. Was die Verwendung der Mittel bei Staatsanleihen angehe, so sei sie "überwiegend nicht zweckgebunden".

Aus Sicht der belarussischen Opposition müssten sich Investoren allerdings schon dafür interessieren, was mit ihrem Geld geschieht. Die Einnahmen aus den Staatsanleihen seien nicht etwa in die Refinanzierung von Auslandsschulden geflossen, sondern in den Sicherheitsapparat, der seit der international als gefälscht eingestuften Wahl drakonisch gegen die Demokratie-Bewegung vorgeht. Am kommenden Montag wollen Exil-Belarussen vor der Konzernzentrale in München protestieren.

Auch im Hinblick auf die eigenen "internen Vorgaben" des Konzerns sei es "ratsam", alle Geschäftskontakte zum Regime in Minsk einzustellen, appellierte Shulkin. In der Tat hat sich die Allianz Nachhaltigkeitskriterien zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken gegeben, die auch Belarus betreffen könnten. So verbietet sich der Konzern Investitionen "in bestimmte Sektoren wie geächtete Waffen, kohlebasierte Geschäftsmodelle, oder Staatsanleihen, die von Ländern mit schweren Menschenrechtsverletzungen angeboten werden". Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes vom Februar reagiert "das Regime von Machthaber Lukaschenko weiterhin mit Repression, Gewalt und Einschüchterung auf friedliche Demonstrationen". Zehntausende friedlich Protestierende seien festgenommen worden, die Zahl der politischen Gefangenen steige immer weiter. Die EU hat gegen Lukaschenko und sein Umfeld Einreiseverbote und Kontensperren verhängt.

"Wir halten uns selbstverständlich an geltende Rechtsbestimmungen, dies schließt auch politische Sanktionen ein", heißt es von der Allianz. Aktuell lägen keine solchen Sanktionen gegen Belarus vor. Die weitere politische Entwicklung werde man "natürlich genau beobachten". Andere Investoren sind schon weiter. So ließ etwa der Finanzkonzern Nordea wissen, man habe die Lage in Belarus "sorgfältig neu bewertet und entschieden, dass unsere Fonds bis auf weiteres nicht in Belarus investiert werden können".

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