Süddeutsche Zeitung

Bei uns in Tokio:Park-Verbot auf japanisch

In den Stadtparks der Hauptstadt ist vor allem eines groß: Das Schild, auf dem Besucher sehen können, was dort untersagt ist, um den Frieden nicht zu stören.

Von Thomas Hahn

Der neue Platz im Shinjuku-Chuo-Park ist schön geworden. Holzvertäfelte Stufen. Blumenrabatten. Dahinter erstreckt sich eine mit Rindenmulch belegte Fläche. Die Anlage ist nicht riesig, wie ja der ganze Shinjuku-Chuo-Park nicht riesig ist - auch wenn der offizielle Tokio-Fremdenführer ihn als "größte urbane Oase" des Bezirks Shinjuku anpreist. Aber das ist okay. Man ist es gewohnt, dass Tokios Parks eine Randexistenz in den wenigen Lücken zwischen Hochhäusern und Straßen fristen. Außerdem ist es nicht so, dass im renovierten Teil des Shinjuku-Chuo-Parks gar nichts groß wäre. Das Verbotsschild ist sogar sehr groß.

Verbote sind in Japan der Kitt, der die Kollektivgesellschaft zusammenhält. Nur weil alle wissen und einhalten, was sie nicht dürfen, funktioniert die Masse hier jeden Tag reibungslos und geräuscharm. Verbote beugen störenden Handlungen vor, sie sind deshalb viel sicherer als Erlaubnisse. Und dieses neue Verbotsschild im Shinjuku-Chuo-Park weist eine solche Vielfalt an Verboten auf, dass man sich mit der lästigen Frage, was man mit seiner Freiheit anfangen könnte, kaum mehr befassen muss.

Es zeigt zwölf durchgestrichene Piktogramme. Jedes steht für ein bis zwei Verbote. Demnach darf man nicht: Ball spielen, Feuerwerk abbrennen, Hunde von der Leine lassen, Hundedreck hinterlassen, Tiere füttern, rauchen, beim Gehen auf das Smartphone schauen, Skateboarden, Fahrrad fahren, Motorrad fahren, Auto fahren, Blumen pflücken, Örtlichkeiten beschädigen, laut sein, durch den Verzehr von Speisen oder Alkohol Probleme verursachen. Darunter steht sinngemäß, dass man Park und Passanten nichts antun dürfe - was sich aber eigentlich schon aus den Piktogrammen eins bis zwölf ergibt.

Japanische Verbote könnten effektiver sein

Die Japaner könnten manchmal etwas effektiver verbieten. Schon bei der Unterzeichnung des Mietvertrags fiel das auf. 23 Verbote wurden einzeln erläutert. Das Verbot, keine großen Tiere wie etwa einen Tiger in der Wohnung zu halten, leuchtete ein. Das Verbot, auch keine kleinen Tiere zu halten, wie etwa einen Goldfisch, wirkte übertrieben. Keine Tiere, verstanden. Aus zwei Verboten hätte man eins machen können. Aber normalerweise verbietet man in Japan präzise und aus gutem Grund. Dass man zum Beispiel auf Spielplätzen nicht alles spielen darf, ist in Tokio logisch. Die Spielplätze liegen meistens dicht an Häusern. Beim Baseball könnten Scheiben kaputt gehen.

Schade. Etwas zu dürfen, steigert die Lebensqualität. Städte brauchen Räume mit Weite, die ohne Verbotsschilder auskommen. Tokio hat davon nicht viele. Auch der schöne renovierte Platz im Shinjuku-Chuo-Park ist etwas reizlos. Im Grunde darf man dort ja nur leise sein.

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