Bei uns in Tokio:Bluejeans für eine Spende an die Heimat

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Japans Steuereinnahmen gehen zurück, die Zuschüsse ebenfalls, die die Gemeinden aus Tokio erhalten. Daher begannen einige Kommunen Menschen, die von ihrem Heimatort weggezogen sind, um Geld zu bitten.

Von Christoph Neidhart

Eine Nachbarin spart Steuern, indem sie Pfirsiche aus Okayama in Westjapan bestellt, eine andere mit Rindfleisch aus Yamagata im Norden. Auch mit Pilzen, Hirschwürsten, ganzen Thunfischen aus Yaizu in der Präfektur Shizuoka, roten Rosen, einem Ninja-Kostüm oder einer Übernachtung in einem Onsen, einem Thermalbad, verringern Japaner ihre Steuern. Ermöglicht wird das von "Furusato Nozei", wörtlich "Heimatort-Steuer". Trotz des Namens ist das keine Steuer, sondern allenfalls ein wohltätiger Versandhandel.

Seit Jahrzehnten ziehen junge Japaner in die Großstädte, vor allem nach Tokio. Nur zu Obon Mitte August, dem Feiertag, an dem die Japaner ihre Toten ehren, fahren sie in ihre Heimatorte zurück. Auch jene, die seit Generationen in der Stadt leben. Japan wird rasant älter, vor allem die Dörfer. Ihre Steuereinnahmen gehen stetig zurück, die Zuschüsse ebenfalls, die sie aus Tokio erhalten. Daher begannen einige Gemeinden jene Leute, die ihren Heimatort besuchten, um Spenden zu bitten.

Aber obwohl Spenden von der Steuer abgezogen werden können, sind die Japaner keine großen Spender. Nur nach Erdbeben greifen sie tief in ihre Taschen. Das änderte sich vor neun Jahren schlagartig, als erste Dörfer begannen, Geldspenden mit Geschenken zu verdanken: mit zwei Kilo bestem japanischem Rindersteak zum Beispiel für eine Spende von 10 000 Yen, 77 Euro. So viel kostet das Fleisch in der Stadt im Laden. Da die Spende zu Abzügen bei der Gemeindesteuer am Wohnort und bei der nationalen Einkommenssteuer berechtigt, machen manche Großverdiener wegen der Steuerprogression mit ihren Spenden Profite. Kleine Leute zahlen eher drauf. Die Regierung rechtfertigt Furusato Nozei als Regionenförderung, will solche Ungerechtigkeiten aber eindämmen.

Inzwischen spenden die Japaner nicht mehr nur ihren Heimatorten. Jeder kann jeder Gemeinde Geld schicken, die bei diesem Programm mitmacht. Es gibt Kataloge und Websites, die zeigen, welches "Geschenk" es für welche Spende gibt. Kommerzielle Firmen sammeln die Spenden und organisieren den Versand. Im Jahr 2015 wurden 165 Milliarden Yen gespendet, 1,27 Milliarden Euro.

Derweil vermeldet Tokios Stadtteil Setagaya wegen der Abzüge zwölf Millionen Euro Steuereinbußen. Die Empfängergemeinden gaben 38 Prozent der Spenden für Dankesgeschenke wieder aus. Ein Viertel der 1,27 Milliarden Euro ging an nur 20 Gemeinden: jene, die populäre lokale Spezialitäten abgeben. Wer keine eigenen Produkte hat, muss die Geschenke einkaufen. Das Städtchen Odate in Akita zum Beispiel verdankt Spenden derzeit mit Bluejeans von Lee.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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