Bei uns in Rom:Meer! Endlich!

Die Italiener haben in den vergangenen Monaten das Sofa lieben gelernt. Eine Dauerbeziehung wird es aber wohl trotzdem nicht.

Von Ulrike Sauer

Drei Monate war nun das Sofa der Nabel der Welt. Auch die Aufhebung der Ausgangssperre änderte daran in Italien erst mal wenig. Kneipen, Kinos, Theater und Stadien sind weiter zu. Das Verlassen der eigenen Region war bis vergangenen Mittwoch verboten. Es wird weiter im Home-Office gearbeitet. Viele Restaurants lassen sich mit dem Neustart Zeit. Die Altstadt Roms, sonst hoffnungslos überlaufen, wirkt verwaist. Viele Eingänge sind verrammelt. Und die geöffneten Lokale und Läden noch ziemlich leer.

Klar, dass das Sofa in dieser Situation groß rauskam. Kein Sportmuffel, der vor der Glotze abhängt, musste sich schmähen lassen. Schließlich waren die Sportstudios zu, sogar joggen und radfahren verboten. Surreal erschien jetzt auch die Debatte, die Italien bei der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens vor einem Jahr so beschäftigt hatte. Niemand bekomme 780 Euro im Monat vom Staat, um auf dem Sofa zu lümmeln, versicherte Luigi Di Maio, der Vater des Bürgergelds und damaliger Chef der Fünf-Sterne-Partei, unverdrossen. Über Monate kam es einem so vor, als hätte Di Maios Platte einen Sprung.

Genau so kam es dann aber. Und daran ist nicht das Virus schuld. Di Maio heuerte den Wirtschaftsprofessor Mimmo Parisi von einer amerikanischen Universität als neuen Chef der italienischen Arbeitsagentur Anpal an. Er sollte mit seiner App, die Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zusammenzubringen versprach, den Empfängern des Grundeinkommens zu einem Job verhelfen. Der Plan ging erwartungsgemäß nicht auf. 97 Prozent der Bezieher des Bürgergelds liegen, nun ja, weiter auf dem Sofa.

Dass sich im Lockdown das Image des Möbelstücks geändert hat, bestätigen auch die Hersteller. "Leute wie ich, die ihr Sofa früher nur eine Viertelstunde am Tag genießen konnten, verbringen dort jetzt vier, fünf Stunden", flachste Matteo Galimberti, der in dritter Generationen das Designunternehmen Flexform in Meda führt, dem Mekka der italienischen Einrichtungsbranche. Als das Wohnzimmer zum Zufluchtsort wurde, trat die coole Form des Sofas in den Hintergrund. Der Showeffekt verlor an Bedeutung. "Die Leute merken jetzt, dass die Bequemlichkeit genauso wichtig ist", beobachtete Galimberti.

Vor zwei Tagen nun endete die Glanzzeit der Couch. Mit der Aufhebung der Beschränkungen wurde der Bikini schlagartig zum neuen Sofa. Zur besten Werbezeit präsentiert jetzt die führende Bademoden-Marke ihre Kollektion. Der Spot kommt mit zwei Worten aus: "Endlich Meer". Das hört sich sensationell an.

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