Bei uns in Peking:Zwei Wochen Einsamkeit

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So müsste es in Peking immer sein: Kein Smog, der Himmel strahlt, es ist Frühling. Wenn nur die Quarantäne nicht wäre.

Von Christoph Giesen

Es ist Frühling in Peking, angenehm mild und vor allem: Kein Smog, die Kokereien und Stahlwerke im Speckgürtel der Stadt sind noch nicht wieder angelaufen, der Himmel strahlt selten blau. Genau so müsste es in Peking immer sein. Wäre da nicht ein Problem: Hausarrest. Zweiwöchige Zwangsquarantäne, neun Tage noch.

Jeder, der nun in Peking landet, muss sich isolieren, völlig egal, ob man aus einem Risikogebiet zurückkommt, dem fast weitestgehend virenfreien Hongkong oder gar vom Mond. Restlos jeder, 14 Tage keinen Fuß vor die Tür. Keine Jogging-Runde, auch kein Einkaufen. Lebensmittel bestellt man online, auch bezahlt wird digital. Ein Bote legt alles vor dem Eingang ab, klingelt kurz und verschwindet sofort. Den Müll darf man nur in den Hausflur stellen und auf keinen Fall selbst entsorgen.

In ABC-Schutzanzüge gehüllte Reinigungskräfte kommen mehrmals am Tag vorbei und sammeln die Abfälle ein. Dafür hat man Pflichten: Zwei Mal am Tag Fieber messen - und dem Vermieter melden. Bei mehr als 37,3 Grad Körpertemperatur wird empfohlen, sich per Krankenwagen in eine Fieberklinik bringen zu lassen. Und es geht noch härter: Wer seit dieser Woche in Peking ankommt, darf gar nicht mehr erst nach Hause, stattdessen 14 Tage Flughafenhotel, auf eigene Kosten. Drei Mahlzeiten am Tag, immerhin, kommen aufs Zimmer.

Vom Rollfeld bis zum Gepäckband dauerte es am vergangenen Samstag viereinhalb Stunden. Erst die Befragungen zur Gesundheit und dem Reiseverlauf, dann die Grenzkontrolle: Handynummer, Fingerabdrücke, Gesichtsscan und natürlich die genaue Anschrift. Das ist inzwischen überholt, bis zu zehn Stunden sollte man nun für Formalitäten einplanen, DNA-Abstrich und Corona-Schnelltest inklusive, und auch wenn dieser negativ ausfällt, muss man sich in Quarantäne begeben, man könnte sich schließlich in den endlos langen Schlangen am Flughafen angesteckt haben. Und nichts wollen die chinesischen Behörden dringlicher verhindern, als sich das Virus wieder ins Land holen, nachdem sie es so brutal niedergedrückt haben.

Was also in neun Tagen, wenn die Quarantäne vorbei ist? Ein Ausflug ins Umland? Eine Dienstreise vielleicht nach Shanghai? Besser nicht. Denn bei der Rückkehr hieße es ja wieder: zwei Wochen Vereinsamung.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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