Bei uns in Peking:Wer im Süden wohnt, friert

China ist geteilt. Eine fast unsichtbare Grenze durchschneidet seit mehr als 60 Jahren das Land: der chinesische Heizungsäquator. Um ihn zu sehen, vor allem aber um ihn zu fühlen, muss man in die Wohnungen und Büros der Chinesen.

Von Christoph Giesen

China ist geteilt. Eine fast unsichtbare Grenze durchschneidet seit mehr als 60 Jahren das Land: der chinesische Heizungsäquator. Um ihn zu sehen, vor allem, um ihn zu fühlen, muss man in die Wohnungen und Büros. Wer im Norden der Volksrepublik lebt, hat es im Winter mollig warm, die Heizungen sind ans Fernwärmenetz angeschlossen und bollern wie verrückt. Wer im Süden wohnt, friert. In den meisten Gebäuden gibt es keine Fernwärme, nicht einmal Heizkörper.

Der Limes der Wärme verläuft ein wenig nördlich des Jangtse. In Peking schwitzt man schon mal im Winter, in Shanghai ist es nass und kalt. Wobei: Noch ist es andersherum. Shanghai meldet aktuell 24 Grad. Für Peking kündigt der Wetterbericht den ersten Nachtfrost an. Die Heizkörper in der Hauptstadt sind aber noch kalt, bis Mitte kommender Woche. Stichtag ist wie jedes Jahr der 15. November, der Beginn der Heizperiode. Auch das Abschaltdatum steht genau fest. Bis zum 15. März wird geheizt, keinen einzigen Tag länger.

Ausgenommen sind nur Regierungsgebäude, schon Ende Oktober, also drei Wochen früher, gluckert es in den Heizungsleitungen der Behörden. Der Norden Chinas friert, in den Amtsstuben aber haben es die Beamten hübsch warm. Auch abgeschaltet werden die Heizungen der Verwaltung erst einige Wochen später. Das gilt übrigens auch für das Büro der Süddeutschen Zeitung in Peking - denn Vermieter ist hier das chinesische Außenministerium.

Reguliert werden kann die Temperatur in vielen Gebäuden nur mit dem Fenster. Beim allgegenwärtigen Smog ist das keine gesunde Lösung, zumal die Belastung in den Heizmonaten noch einmal deutlich steigt. Jedes Jahr werden für die Fernwärme 700 Millionen Tonnen Kohle zusätzlich verbrannt, nicht eingerechnet der Strom für die vielen Klimaanlagen, der zum Großteil auch aus Kohle gewonnen wird. Wer keine Heizung hat, lässt die Geräte in den Wintermonaten surren und warme Luft in die Räume pusten. Ökologisch und ökonomisch ist das Wahnsinn. Und Filter gegen den Feinstaub? Auf dem Papier müssten fast alle Kraftwerke nachgerüstet sein. Die Smogdecke über Peking ist der tägliche Gegenbeweis.

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