Bei uns in Peking:Das Eigenleben der Staatskonzerne

Die Betriebe stecken tief in roten Zahlen, aber sie produzieren und produzieren.

Von Christoph Giesen

Man steigt in Peking in den Zug, rast an Reisfeldern, Fabriken und zerklüfteten Bergketten vorbei, meist ist alles umwölkt von Smog. Nach nicht einmal fünf Stunden rollt der Zug im Bahnhof von Shanghai ein. Mehr als 1300 Kilometer hat man dann zurückgelegt. Das entspricht der Strecke von Berlin nach Florenz. Und nicht nur das. Jedes Jahr kommen Tausende Schnellbahnkilometer hinzu, allerdings mit einem Schönheitsfehler: Außer der Route Peking-Shanghai ist keine der Strecken profitabel. Halbleere Schnellzüge, horrende Stromkosten, für die Ewigkeit betonierte Milliardengräber.

Die chinesische Staatsbahn schuldet ihren Gläubigern inzwischen anderthalb Mal so viel wie ganz Griechenland. Und damit ist sie nicht alleine. Chinas Staatskonzerne haben sich in den vergangenen Jahren kräftig verschuldet. Mindestens 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen in ihren Büchern. Versorgt mit dem billigem Geld von Staatsbanken haben die Konzerne gewaltige Überkapazitäten geschaffen: Stahl, Aluminium, Papier, alles wird im Überfluss produziert. Allein in der Provinz Hebei, die Peking umschließt, wird vier Mal so viel Stahl hergestellt, wie in den USA. Eindrucksvoll sind auch die Zahlen der Zementindustrie: In nur zwei Jahren wird in der Volksrepublik so viel Beton produziert, wie in den Vereinigten Staaten im gesamten 20. Jahrhundert. Von Zombie-Unternehmen spricht man inzwischen in China. Es wird produziert, um zu produzieren. Es werden Schienen gelegt, um Schienen zu legen. Oder es wird gleich ein neues Stahlwerk gebaut, weil man so viel Stahl übrig hat. Auf diese simple Lösung kam vor einiger Zeit ein Manager in Nordostchina, um die Überkapazitäten seines Werks abzubauen. Wenn dereinst die zweite Fabrik in Betrieb geht, steigt natürlich die Produktion, aber damit wird sich sein Nachfolger rumschlagen müssen. Und wie? Das ist die große Frage der kommenden Jahre in China: Die Staatskonzerne und ihr Eigenleben. Die Führung in Peking versucht es nun mit einer womöglich ähnlich schlichten Idee, wie sie jener Stahlmann im Nordosten hatte - die Chefs der 98 größten Staatsbetriebe bekamen dieser Tage ein Edikt mitgeteilt: 2018 müssen angeblich alle Konzerne Profit machen. Marktwirtschaft auf Knopfdruck. Bloß: Wie soll das gehen? Produktionsstopps? Entlassungen von Millionen Arbeitern? Oder ist die Vorgabe eher als Aufruf zur Bilanzfälschung zu verstehen? Mehrere Provinzen mussten zuletzt einräumen, über Jahre die Zahlen frisiert zu haben. Der Sachverstand ist immer noch da.

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