Bei uns in Mailand:Lieber Südtirol als Frankreich

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Auf den Nachbarn ist Italien denkbar schlecht zu sprechen.

Von Ulrike Sauer

Die Römer kannten ihn als digitus impudicus. Und schon der Geschichtsschreiber Tacitus beschwerte sich über die frechen Germanen, die den römischen Soldaten zum Gruß den unverschämten Finger zeigten. Mitten in Mailand, dem antiken Mediolanum, ragt nun schon seit 2010 ein solcher Stinkefinger vor dem Eingang des Börsengebäudes gen Himmel. Eine elf Meter hohe Provokation, von Maurizio Cattelan in weißen Carrara-Marmor gehauen. Wem er gezeigt wird? Der dreisten Finanz? Oder dem im faschistischen Architekturstil erbauten Palazzo Mezzanotte, in dem die Börse untergebracht ist? Darüber gehen die Meinungen hier auseinander. Fest steht: Könnte man die Geste spontan adressieren, bekämen heute wohl die Nachfahren der Gallier den Finger zu sehen.

Auf sie ist man in Mailand gerade sehr schlecht zu sprechen. Das liegt vor allem am unersättlichen Aktien-Hunger der Franzosen: Der Konzern Lactalis schnappt sich gerade die letzten zwei Prozent des Molkerei-Riesen Parmalat, um seine Beute ganz von der Börse zu nehmen, zuvor fiel der bretonische Investor Vincent Bolloré bereits über den Fernsehkonzern Mediaset her, um ihn der Familie Berlusconi zu entreißen. Bei Telecom Italia hat er bereits das Sagen. Auch die Banken BNL und Cari-Parma, die halbe Luxusbranche von Gucci über Bulgari bis Loro Piana, sowie die Energieversorger Edison und Acea sind in französischer Hand. Und nun bangt man um die Triester Versicherung Generali. Um dem nächsten Raubzug zuvorzukommen, prüft die Mailänder Banca Intesa nun eine Übernahme des Finanzkonzerns.

An der Generali-Spitze jedenfalls sitzt mit Philippe Donnet bereits ein französischer Manager Platz. Und bei Unicredit zieht Jean Pierre Mustier sein Ding durch. Die Italiener hält der Franzose für gestört. "Schluss jetzt mit der Paranoia", befahl Mustier neulich. Selbst hatte er zuvor den Vermögensverwalter Pioneer an den französischen Rivalen Amundi gereicht. Die Italiener trauern nun 222 Milliarden Euro Anlagevermögen nach. Dann geschah, womit niemand rechnen konnte. Es kam der Tag, an dem der Pariser Staatskonzern EdF das Kommando über den Mailänder Windrad-Betreiber Alerion übernehmen wollte, dessen Hauptaktionär er mit 39 Prozent ist. Man hatte sich schon auf die x-te Niederlage eingestellt - aber der Goliath wurde von einem italienischen David geschlagen. Der Firma Fri-El gelang es, die Aktionärsversammlung auf ihre Seite zu ziehen.

So hielt ein Südtiroler diese Woche die italienische Fahne hoch. "Ich bin hundertprozentig Italiener, auch wenn ich deutsch spreche", sagte der Bozener Unternehmer Joseph Gostner lachend.

© SZ vom 03.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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