Bei uns in London:Warten auf den Haircut

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Vor dem zweiten Lockdown hatten viele Engländer eines ganz oben auf ihrer To-Do-Liste: noch schnell Haare schneiden lassen. Wer weiß, wann die Friseure wieder aufmachen dürfen.

Von Alexander Mühlauer, London

Wenn es etwas Gutes am zweiten Lockdown gibt, dann ist es die Tatsache, dass man besser darauf vorbereitet ist als beim ersten. Man konnte sich jedenfalls schon ein wenig darauf einstellen, was einen erwartet. Und nach den Erfahrungen vom Frühjahr stand bei vielen Engländern eines ganz oben auf der To-Do-Liste: noch schnell die Haare schneiden lassen, bevor es nicht mehr geht.

Wie lange es nicht mehr geht, ist völlig offen. Die Friseurinnen und Barber mussten ihre Läden Anfang November schließen, zunächst bis zum 2. Dezember. Dann soll er vorbei sein, der zweite Lockdown. Nun, so wirklich daran glauben mag man nicht. 15 Wochen musste man beim ersten Lockdown ausharren, bis die Friseure wieder öffnen durften. Die Aussicht, dass man womöglich wieder drei Monate warten muss, bis einem mal wieder die Haare geschnitten oder gefärbt werden dürfen, ist, pardon the expression, durchaus haarsträubend.

Und so gab es in den Tagen vor dem zweiten Lockdown die Glücklichen, die noch einen Friseurtermin ergatterten. All jene, die noch gerne einen Haarschnitt gehabt hätten, aber nicht bekamen, müssen nun hoffen, dass die staatlich verordnete Zwangsverwilderung zumindest vor Weihnachten ein Ende haben wird.

Allerdings wissen die Engländer ganz genau, dass sie mit Boris Johnson einen Regierungschef haben, der einen regelmäßigen Friseurbesuch nicht zu seinen obersten Prioritäten zählt. Der Premierminister kultiviert schon seit Langem einen blonden Wildwuchs, der manche Spötter an einen Strohhaufen oder gar einen Wischmopp erinnert. Im Frühjahr verfügte Johnson jedenfalls, dass Friseure erst wieder aufmachen dürfen, wenn auch Pubs und Restaurants dran sind.

Kein Wunder, dass die Geduld vieler Engländer im ersten Lockdown nach, sagen wir mal, elf Wochen ziemlich erschöpft war. Der Wunsch, sich endlich die Haare färben oder schneiden zu lassen, war jedenfalls so groß, dass ein Schwarzmarkt entstand, auf dem Friseure ihr Handwerk anboten.

Es gab Barber, die in Hinterzimmern Haare schnitten. Und es gab Friseurinnen, die einen zu Hause besuchten, vorzugsweise im Garten. Doch das geht im Herbst leider nicht mehr, es sei denn, man möchte sich erkälten. Dann vielleicht doch lieber durchhalten. Immerhin ist es doch so: Je länger die Mähne, desto wärmer.

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