Bei uns in Hamburg:Sommer ohne Sound

Der Sommer ist zwar da, doch so richtig ist er nicht angekommen. Denn in Hamburg fängt der Sommer erst an, wenn es die Open-Air-Konzerte im Stadtpark gibt.

Von Angelika Slavik

Es ist Sommer geworden, aber natürlich zählt das diesmal nicht richtig. In Hamburg macht man den Sommer ja nicht am Wetter fest und auch nicht am Kalender, sondern an den Open-Air-Konzerten im Stadtpark. Der Sommer fängt an, wenn irgendwer im Stadtpark aufgetreten ist, und wenn es Lotto King Karl ist. Das ist Hamburger Gesetz.

Man muss wissen, dass man auf zwei verschiedene Arten zu den Konzerten im Stadtpark gehen kann. Die erste Variante ist, sich ein Ticket zu kaufen und dann vor der Bühne zu stehen, wie das bei Konzerten eben so ist. Das ist nett, aber natürlich machen das nur Anfänger oder Touristen. Wenn man es ordentlich angeht, kauft man kein Ticket, sondern bringt eine Picknickdecke mit und sucht sich einen Platz außerhalb des Konzertgeländes. Da sieht man nicht auf die Bühne, aber man hört die Musik und kann währenddessen auch noch trinken, in den Himmel schauen und bei den Leuten von der Nachbarpicknickdecke ein Grillwürstchen abstauben. Manchmal sind mehr Leute außen um das Konzertgelände versammelt als drinnen vor der Bühne stehen. Nix zu bezahlen ist gleichermaßen subversiv wie traditionell, das passt sehr gut zu dieser Stadt.

In diesem Jahr sollte zum Beispiel Cat Stevens im Stadtpark singen. Das wird jetzt natürlich nichts, bis Ende August ist alles gestrichen. Man wird vielleicht nie erfahren, ob Cat Stevens gerade Cat Stevens heißt oder Yusuf oder, keine Ahnung, Prince. Es gibt keinen Sommer.

Weil es keinen Sommer gibt, dümpelt die Stadt ein bisschen unschlüssig vor sich hin. Man streitet um einen Bunker, der aufgestockt, begrünt und teilweise in ein Hotel verwandelt werden soll. Viele Leute, die um den Bunker herum wohnen, finden das nicht so knorke, weil Bunker am Ende 58 Meter hoch sein soll. Die Leute wohnen dann künftig also mitten im Bunker-Schatten. Man könnte sagen: In den Wohnungen dieser Menschen wird nie wieder Sommer, selbst wenn Corona irgendwann weg sein und Yusuf-Stevens-Prince es doch noch nach Hamburg schaffen sollte.

Wenn man nicht beim Bunker wohnt, sondern beim Stadtpark, kann man natürlich versuchen, sich einen Sommer zu fälschen. Man kann sich neben ein paar Würstchengriller legen, in den Himmel schauen und denken, bestimmt singt gleich irgendwer. Und wenn es Lotto King Karl ist.

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