Bei uns in Hamburg:Sehnsucht nach Herbst

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Hamburg ist für Hitze nicht gemacht: Die Klimaanlage in der Hochbahn gibt auf, alle geben vor gute Laune zu haben und grillen und überall sieht man Füße in Trekkingsandalen. Was kann trösten? Klar: der Dom und dort eine ganz besondere Bahn.

Von Angelika Slavik

Natürlich ist der Sommer in Wahrheit schrecklich. Es gibt diesen gesellschaftlichen Druck, ständig gute Laune vorzutäuschen. Außerdem muss man jeden Abend verkohltes Grillfleisch essen und Sätze dazu sagen wie: "Ganz toll machst du das am Grill, Uwe! Du bist ja ein richtiger Grillmeister, Uwe!", gefolgt von dem unvermeidbaren "Aber jetzt iss doch auch mal was, Uwe! Opferst dich ja völlig auf für uns." Das ist kein Spaß.

Dazu müffelt es in der Bahn. In der Hamburger Hochbahn haben sie die Fensterverriegelungen der modernen Superzüge extra abmontiert, weil die Superklimaanlage gegen die Hitze nicht ankommt. Deshalb doch wieder: Zugluft. Natürlich nützen weder die Klimaanlage noch die Zugluft gegen den Anblick fremder Füße in Trekkingsandalen. Der ist die Strafe des Herrn für alle, die zu faul zum Radfahren sind.

Immerhin kann man bald wieder auf den Sommer-Dom gehen. Der Sommer-Dom ist so eine Art riesiger Rummelplatz, es gibt Fahrgeschäfte und Schießbuden und jedes Lebensmittel, das man frittieren kann. Es gehört zu den Hamburger Eigenheiten, immer ein riesiges Trara zu machen, wenn der Dom eröffnet. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil es neben dem Sommer-Dom auch noch den Winter-Dom und den Frühlings-Dom gibt. Es ist also praktisch immer entweder Dom oder Herbst. Trotzdem ist es diesmal besonders aufregend, denn beim Sommer-Dom wird es endlich wieder die "Dr. Archibald"-Bahn geben. Die absolviert man mit einer Virtual-Reality-Brille, was nicht nur furchtbar modern, sondern auch furchtbar gruselig ist. Mit der Brille auf der Nase muss man rausfinden, wo Dr. Archibald hingekommen ist, der von einer seiner Zeitreisen nicht zurückgekehrt ist. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass Dr. Archibald bloß keine Lust hatte auf den Sommer mit all seinem zähen Grillfleisch und der nervigen guten Laune und sich deshalb gleich zum Winter-Dom transferiert hat. Aber er wird halt doch immer gefunden nach zehn Minuten Suche in der virtuellen Realität.

Nach der Dr.-Archibald-Sache wird man Frittiertes essen und versuchen, beim Dosenschießen einen Plüschfrosch zu gewinnen. Man wird auf die bewährte Strategie setzen, einfach so lange zu werfen, bis der Dosenschießstandbesitzer Mitleid hat und einem den Plüschfrosch schenkt. Dann müsste man heim, mit der Bahn. Dort wäre es immer noch heiß und müffelig und voller Füße. Aber diesmal könnte man sich den Plüschfrosch vors Gesicht halten und denken, bald kommt der Herbst.

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