Bei uns in Frankfurt:Eine Bitte an Madame Lagarde

Die neue EZB-Chefin erscheint zum Antrittsbesuch beim Oberbürgermeister der Mainstadt. Der hat ein Anliegen.

Von Markus Zydra

Der Antrittsbesuch ist guter Brauch, und so schüttelte die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, dem Oberbürgermeister der Stadt, Peter Feldmann, neulich im Römer die Hand. Die beiden tauschten Freundlichkeiten aus, es fielen Worte wie "große Ehre" und "eng verbunden". Das SPD-Stadtoberhaupt, derzeit unter Vetternwirtschaftsverdacht, sagte, man freue sich darauf, Lagarde "möglichst oft begrüßen zu können", um dann nachzuschieben: "Gerne häufiger als ihren Vorgänger." Tatsächlich ward Lagardes Amtsvorgänger Mario Draghi nur sehr selten in der Europa-Stadt gesehen. Rom, seine Heimat, gefiel ihm wohl besser, außerdem musste der zurückhaltende EZB-Chef geschäftlich viel reisen. Doch Feldmann verfolgte manche Ereignisse im Notenbank-Turm. So warf die EZB-Gewerkschaft Draghi vor, zu wenig gegen die in Mitarbeiterumfragen attestierte Vetternwirtschaft zu tun. Feldmann hielt gar eine unterstützende Rede, als unzufriedene Mitarbeiter vor der Bank dagegen demonstrierten.

Nun hat sich die Situation gedreht. Feldmann, der seiner Frau zu einem gut dotierten Job verholfen haben soll, steht unter Druck. Dessen ungeachtet könnte sich die Erwartung des Oberbürgermeisters erfüllen. Lagarde eilt der Ruf voraus, eine begnadete Kommunikatorin zu sein. Tatsächlich machte sie bei ihren ersten öffentlichen Auftritten in der Stadt stets eine blendende Figur, parlierte sogar einige Worte Deutsch, gepaart mit dem Versprechen, die Sprache Goethes alsbald zu lernen. Das vernahmen viele in der Geburtsstadt des Dichters mit Freude. Da mag es kaum überraschen, dass sich Lagarde zu Amtsbeginn gleich in das Goldene Buch der Stadt eintragen durfte, eine Ehre, die sie etwa mit Draghi, Udo Lindenberg, dem britischen Königspaar, dem Dalai Lama und dem sowjetischen Staatspräsident Michael Gorbatschow teilt. Sie alle durften ihren Namen und, nach einem kreativen Schub, auch ein Bonmot notieren. Das Goldene Buch, es lagert im Tresor, ist einen halben Meter lang und wiegt 20 Kilogramm. Der Einband trägt Blattgold. Seit 1904 haben sich Kaiser und Kanzler, Prinzen und Politiker auf den edlen Seiten verewigt. Nun also Lagarde, die möchte, dass sich die Notenbank künftig gesellschaftlich mehr öffnet. Früher hatten die Währungshüter ihren Sitz mitten in der Stadt, 2015 folgte der Umzug in den Osten an den Main. So beeindruckend die Architektur der neuen Notenbankzentrale, so abweisend wirken die hohen Zäune und Sicherheitsstreifen, die das Gebäude abschirmen. Man kommt nicht einmal nah ran. Lagarde versprach nun: "Uns liegt viel daran, an lokalen Initiativen teilzunehmen." Das klang noch etwas spröde, könnte aber bedeuten: Die Währungshüter mischen sich unters Volk.

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