Bei uns in Frankfurt:Dableiben statt abhauen

Die Mainmetropole hat einen großen Wandel vollzogen. Bankfurt? Krankfurt? Das war einmal.

Von Markus Zydra

Es gibt Menschen, denen zu Frankfurt wenig Erbauliches einfällt. Diese Zeitgenossen spüren dort eine fürchterliche Provinzialität, in Form einer Möchtegern-Großstadt mit seelenlosen Wolkenkratzern und abschreckender Bahnhofskriminalität. Das ist, mit Verlaub, ein Vorurteil, aber eines, das der Mainmetropole seit den 70er-Jahren ganz feste anhängt. Damals sprachen Spontis verächtlich von "Bankfurt". Allerdings suchten die Bankiers zu diesen Zeiten nach Dienstschluss ihre Villen im Hochtaunus auf. In der Stadt zu wohnen galt als verpönt. Die internationalen Finanzprofis logierten während ihrer Frankfurter Arbeitswoche im Hotel, um freitags dann mit dem Flugzeug nach London - in ihre wahre Heimat - zu düsen. Krankfurt, ja so verballhornten Witzbolde den Städtenamen auch, galt als Schlafstadt.

Doch so ist es schon lange nicht mehr. Diesen Wandel spürt man immer wieder in der Paulskirche, der Ort, an dem sich 1848 das erste gesamtdeutsche Parlament zusammenfand und heute die Einbürgerungsfeiern stattfinden. 2018 nahmen knapp 3000 Frankfurter die deutsche Staatsbürgerschaft an. Noch bemerkenswerter ist allerdings, dass die Beteiligung an der Zeremonie deutlich gewachsen ist. In diesem Frühjahr mussten viele aus Platzmangel draußen bleiben und die Feier auf einer Videoleinwand verfolgen. Die Stadt sieht so viel Interesse als Ausdruck von starker Identifikation. Endlich möchten viele Leute hierbleiben statt abzuhauen.

Frankfurt ist kleiner als London. Aber was heißt das schon? Die "Pulse of Europe"-Bewegung hat sich am Römer gesammelt, auch als Reaktion auf den Brexit der Briten. Im einst seelenlosen Bankenviertel gibt es Kneipen, Restaurants und Theater. In den Wolkenkratzern kann man inzwischen auch wohnen, häufig sind dort die gut Betuchten. Aber ein Teil der Wohnungen in den neuen Hochhäusern sind per Dekret für Geringverdiener reserviert. Die Metropole wächst, von 640 000 Einwohnern im Jahr 2004 auf jetzt 740 000. Sie ist polyglott, der Ausländeranteil beträgt 30 Prozent, in der Stadt leben Menschen aus 179 verschiedenen Ländern. Die Touristen kommen, in Frankfurt sind 2018 zum ersten Mal mehr als zehn Millionen Übernachtungen registriert worden. Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sagt: Frankfurt sei "sicher, gemütlich und attraktiv". Dieses positive Image habe die Stadt außerhalb ihrer Grenzen schon länger. Das sei für manche Alteingesessenen noch gewöhnungsbedürftig. "Das ist nicht etwas, das Frankfurter Eltern morgens ihren Kindern sagen: dass sie in einer der attraktivsten Städte der Welt sind."

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