Bei uns in Davos:Sorry, muss weiter

Lesezeit: 2 min

Wie, der Finanzminister verspätet sich? Dann halt ohne ihn - der nächste Termin wartet nicht. Über Hektik und Fehltritte in Davos.

Von Bastian Brinkmann

Treffen sich zwei Anzugträger im Erdgeschoss des Kongresszentrums in Davos. Sie kennen sich von früher, haben bei den Vereinten Nationen zusammengearbeitet. Na, bist du noch in New York? - Klar, ich bin mittlerweile für Westafrika verantwortlich, und wohin hat es dich noch mal seit dem Abschied von den UN verschlagen? - Ich bin der Premierminister von Kenia. - Ooooh, das ... das, äh, hätte ... ja klar! Oh Mann, das tut mir leid.

Das ist Davoser Smalltalk (auch wenn es in diesem überhörten Dialog geografisch tatsächlich um andere Regionen ging). Der arme Nicht-Premierminister-Erkenner ist in eine Falle getappt, die eigentlich vermeidbar ist. Hätte er auf den Konferenzausweis geschaut, der um jeden Hals hängt, hätte er den Titel des Gegenübers gesehen. Diese Karten sagen alles: Name, Position und vor allem Rang. "Heads of State", die Staats- und Regierungschefs, sind die Könige von Davos, egal ob sie gewählt oder echte Könige sind.

Wer nur in einem deutschen Bundesland Ministerpräsident geworden ist, kann sich für eine Veranstaltung schön anstellen, wie alle anderen. Wer sich in einen zu vollen Vortrag nach Beginn noch reinschummeln will, wird vom Türsteher nicht reingelassen, auch wenn mancher "Kopf eines Bundeslands" mehr Menschen repräsentiert als ein "Head of State".

Die heimlichen Könige von Davos sind die Konzerne. Außerhalb des offiziellen Programms und außerhalb des Kongresszentrums halten die Unternehmen Hof. Sie fliegen Nobelpreisträger und Sachbuchautoren ein, deren Vorträge Gäste zum Empfang locken sollen. Manchmal treten auch bekannte Bands oder Trickfußballer auf - je nachdem, ob die Marketingabteilung dem Image des Unternehmens lieber mehr Intellektualität oder mehr Unterhaltung zuschreiben möchte. Auch Staaten oder Regionen fliegen Modeschneider und Tanzgruppen aus der Heimat nach Davos, um Manager dazu zu bringen, bei ihnen zu investieren. Wer möchte, kann einen Regierungschef in einem traditionellen Zelt treffen. Um in die Schlange zu kommen, reicht eine Visitenkarte.

In Davos gibt es so viele Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Programms, dass sich ein Zweistundenrhythmus eingebürgert hat: Jeder Empfang dauert nur zwei Stunden, dann kann man an einem Abend zu drei Terminen. Eine Beraterfirma lädt zur Debatte über Roboterisierung von 18 bis 20 Uhr, der Finanzminister eines Schwellenlandes lädt zum Abendessen mit potenziellen Investoren von 20 bis 22 Uhr, eine IT-Firma lädt zu Cocktails mit Musik von 22 bis 24 Uhr. Wenn sich beispielsweise der Finanzminister verspätet, weil er die Politiker- und Managerdichte in Davos für Gespräche nutzen wollte, ist die Hälfte der Gäste schon weg, wenn er doch noch seine Rede hält - der nächste Termin wartet nicht.

© SZ vom 20.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: