Bei uns in Bern:Wenn Banker Nüsse knuspern

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Der Studentenfutter-Mode-Trend kommt bei Schweizer Bankern an, heißt es: Regenjacke, Wanderschuhe, Rucksack. Echt jetzt?

Von Isabel Pfaff, Bern

Mit Traditionspflege kennt man sich aus in der Schweiz. Hier wird auch dann noch gejodelt, geschwungen oder im Fondue gerührt, wenn der Rest der von Corona geplagten Welt dem Untergang nahe ist. Aber modisches Trendsetting? Dafür sind die Eidgenossen nicht bekannt. Und doch könnte ausgerechnet eine ihrer traditionellen Branchen - der Finanzsektor - nun Vorreiter sein bei der Neuerfindung des Dresscodes für junge, erfolgreiche Städter. Einen ersten Hinweis gibt das Portal finews.ch, auf dem jüngst das Wort "Gorpcore" fiel und mit Erhobenem-Zeigefinger-Unterton verkündet wurde: "Diesen Begriff müssen modebewusste Banker jetzt kennen."

Eine kleine Entschlüsselungshilfe an dieser Stelle für alle Nicht-Modeblogger: Gorp steht für "good old raisins and peanuts", Studentenfutter auf Englisch - und damit für Kleidung, die man oft trägt, wenn man eben diesen Nüsse-Rosinen-Mix verspeist. Mit der Nachsilbe -core lehnt sich der Trend an die schon einige Jahre alte Modeströmung "Normcore" an, die sich der geschlechterneutralen Unauffälligkeit verschreibt. Wer nun immer noch nicht weiter weiß, dem helfen vielleicht ein paar Stichworte: Wanderschuhe, Regenjacke, Trekkingrucksack. So ungefähr lässt sich die modische Grundausstattung eines Gorpcore-Anhängers zusammenfassen, wenn man Modeexpertinnen und Fashionmagazinen Glauben schenken mag.

Man soll also in etwa so aussehen, als käme man direkt aus den Bergen. Finews.ch geht in seiner Interpretation sogar noch weiter: Der Gorpcore-Stil sei Ausdruck von Naturverbundenheit, Tatkraft und Bescheidenheit - "alles Merkmale, die man sich auch bei modernen Finanzfachleuten wünscht". Und da muss man feststellen: Nirgendwohin passt dieser Stil besser als auf den Zürcher Paradeplatz oder vors Berner Bundeshaus, wo gleich nebenan die Nationalbank sitzt. Nun muss man mindestens noch ein paar Monate abwarten, bis die Corona-bedingt Heimarbeitenden wieder zurück auf den urbanen Laufstegen sind. Erst dann wird man sagen können, ob sich die Schweizer Bankerinnen und Banker den Rat der Modewelt zu Herzen genommen und ihre edlen Zwirne gegen teure Outdoor-Klamotten getauscht haben. Vom Berner Hauptbahnhof aus ist es jedenfalls wirklich nicht weit bis ins Gebirge. Da könnte man locker nach Feierabend noch in den Zug springen und loswandern - oder zumindest so tun.

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