Bei uns in Bern:Stadt, Land, Wolf

Bergler gegen Städter: Nichts eignet sich für diesen alten Konflikt in der Schweiz besser als der Wolf.

Von Isabel Pfaff

Goldener Spätsommer in der Bundesstadt. Die Aare leuchtet grün, die Blätter gelb, und wenn die Sicht klar ist, schmücken Eiger, Mönch und Jungfrau auch noch den Horizont. So mag es der Schweizer Städter: zivilisiert und urban, und irgendwo dahinten sind die Berge, zum Wandern, Erholen, Abschalten.

Blöderweise stören die Bergbewohner immer mal wieder die Idylle. Zur Zeit trommeln sie zum Beispiel für ein neues Jagdgesetz. Das soll unter anderem erlauben, den bisher streng geschützten Wolf leichter abschießen zu dürfen. Gegen das bereits vom Parlament verabschiedete Gesetz haben - zur Erleichterung der naturverbundenen Städter - Naturschutzverbände das Referendum ergriffen, und Ende September wird nun schweizweit abgestimmt, ob das Gesetz nun kommt oder nicht.

Dabei müsste der Fall doch klar sein: Wuchtige Alpen, grüne Bergseen, Kühe auf saftigen Wiesen, zwischendrin mal ein Steinbock oder ein Murmeltier - so ist das in der Schweiz eben, und wenn nun sogar der Wolf endlich zurückkehrt, insbesondere in die Bergkantone Graubünden und Wallis, dann ist das Idyll perfekt. So denkt man in den Berner Altbauwohnungen und Zürcher Lofts. Und rümpft die Nase über diese stumpfen Bauern, die doch nur der alten Mär vom bösen Wolf anhängen.

Bergler gegen Städter: Nichts eignet sich für diesen alten Konflikt besser als der Wolf, dieses schillernde, sagenumwobene Tier, das seit einigen Jahren wieder in Rudelstärke durch die Schweiz streift. Es geht um Artenschutz und stabile Ökosysteme auf der einen Seite, um gerissene Schafe, nervöse Kuhherden und teure Weidezäune auf der anderen. Die Befürworter des Gesetzes machen Stimmung mit blutigen Fotos von gerissenem Vieh auf Facebook. Es gebe deutlich mehr Viehverluste durch Abstürze oder Gewitter als durch den Wolf, geben die Gegner zurück.

Zum Pech der Bergler handelt es sich bei der Abstimmung ums Jagdgesetz um ein Gesetzesreferendum, das heißt: Die Mehrheit der Bevölkerung entscheidet. Anders als bei Abstimmungen über die Verfassung ist die Mehrheit der Kantone nicht erforderlich. Und so spricht viel dafür, dass das Schicksal der Schweizer Wölfe in den dicht besiedelten urbanen Zentren beschlossen wird und nicht in einsamen Bündner oder Walliser Tälern. Wahrscheinlich also eins zu null für die Schweizer Städter - diesmal zumindest.

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