Bei uns in Bern:Kaffeestunde im Bunker

Noch gehört Kaffee in den Schweizer Notvorrat. Doch damit könnte bald Schluss sein. Warum?

Von Isabel Pfaff

Zu den großen Rätseln der Schweiz gehört, dass in dem friedlichen Land mit der perfekten Infrastruktur und der florierenden Wirtschaft so manche Angst kursiert. Jene vor Katastrophen zum Beispiel. Noch immer gibt es in der Schweiz so viele Bunker und Schutzräume, dass im Fall der Fälle mehr Menschen dort Platz hätten, als das Land Einwohner hat. Und noch immer werden die Schweizer von ihren Behörden angehalten, für den Notfall unbedingt vorzusorgen. Neun Liter Wasser pro Person, Lebensmittel für eine Woche, Batterien, Taschenlampe, Gaskocher: Diese Dinge sollte im Idealfall jeder Schweizer Haushalt vorrätig haben, schreibt das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung in einer Broschüre namens "Kluger Rat - Notvorrat".

Doch damit nicht genug. Weil der Schweizer Staat nämlich weiß, dass man sich selbst auf die Eidgenossen nur bedingt verlassen kann, hält er außerdem noch staatlicherseits Notvorräte bereit. Solche Notvorräte sind keine Schweizer Spezialität, auch in Deutschland lagert der Bund Getreide, Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch für Katastrophenfälle ein. Doch während die Deutschen bei Versorgungsengpässen mit trockenem Reis und mehligen Hülsenfrüchten vorliebnehmen müssen, kann der Schweizer getrost auf das nahende Ende blicken: Sein Kaffeebedarf ist nämlich für volle drei Monate gesichert. Denn neben Weizen, Zucker, Reis und Speiseöl muss die Schweizer Lebensmittelbranche auch Kaffee zurücklegen, insgesamt 15 000 Tonnen.

Doch das Nachdenken über mögliche Katastrophen und die ideale Reaktion darauf bricht in der Schweiz offenbar nie ab. Seit April steht deshalb der Vorschlag im Raum, Kaffee aus dem Notvorrat-Sortiment zu nehmen. Man sei zu dem Schluss gelangt, dass Kaffee nicht mehr als lebenswichtiges Gut einzustufen ist, schreibt das zuständige Bundesamt. Er leiste "aus ernährungsphysiologischer Sicht keinen Beitrag zur Ernährungssicherung", heißt es in der Mitteilung, außerdem verteilten sich die Anbaugebiete auf drei Kontinente. Ein Engpass? Unwahrscheinlich.

Ein Schlag für das Genießerland Schweiz. Aber: So gerne die Eidgenossen Kaffee trinken (im Durchschnitt konsumiert jeder Schweizer rund neun Kilo im Jahr), so sehr verabscheuen sie vorschnelle Veränderungen. Wie man einem Bericht zur Vorratshaltung entnehmen kann, hat es der Vorschlag nicht durch die Mühlen des Schweizer Gesetzgebungsprozesses geschafft. So wie es aussieht, bleibt alles beim Alten in der Katastrophenvorsorge. Darauf einen Espresso.

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