Bei uns in Bern:Die Wut der Briefmarkensammler

Eigentlich könnte man meinen, dass der legendäre "Service Public" in der Schweiz auch für Minderheiten da ist. Die Briefmarkensammler der Nation fühlen sich allerdings seit dem vergangenen Jahr ausgegrenzt.

Von Isabel Pfaff

Er ist einfach legendär, der "Service Public" in der Schweiz. Die pünktliche Bahn, die gute Telekommunikationsinfrastruktur der Swisscom, die Flugsicherung Skyguide - und, natürlich, die zuverlässige Post. Weil diese Dinge sozusagen zum Markenkern der Eidgenossenschaft gehören, ist der Schweizer Staat verpflichtet, die Mehrheit in diesen vier Aktiengesellschaften zu halten, denn: "Die Bevölkerung erwartet eine gute Versorgung in allen Regionen des Landes", wie es auf der Seite des zuständigen Ministeriums heißt, "auch dort, wo es sich betriebswirtschaftlich nicht lohnt".

Man sollte also erwarten dürfen, dass auch Minderheiten von diesen sogenannten bundesnahen Betrieben berücksichtigt werden - insbesondere bei der Schweizer Post, wo der Staat gar 100 Prozent der Anteile hält. Doch kürzlich meldete die Neue Zürcher Zeitung, dass dem offenbar nicht so ist: Die Schweizer Post ist nämlich im vergangenen Jahr dazu übergegangen, den Rundstempel mit Datum und Ort der Entwertung nicht mehr auf die Marke zu stempeln, sondern, Achtung, links daneben. Die Marke selbst ziert jetzt ein sogenannter Flaggenstempel, der von den Stempelmaschinen verwendet wird - und diese werden inzwischen nahezu flächendeckend eingesetzt.

Ein Affront gegen die Briefmarkensammler der Nation. Von einem "Super-GAU" für die Schweizer Philatelisten ist die Rede, Rolf Leuthard, Präsident des Verbands Schweizerischer Philatelisten-Vereine, sprach der NZZ zufolge gar von einer "Machenschaft". Die neue Stempelordnung verunstalte die Briefmarken und mache sie für Sammler regelrecht unbrauchbar. Viele Philatelisten fühlen sich nun verraten von ihrer Post - schließlich sind sie treue Kunden, kaufen und abonnieren die neuesten Marken oder erwerben die vielen Spezialprodukte für Sammler, die die Post im Angebot hat.

Doch auch in der beschaulichen Schweiz macht sich der Wandel der Zeit bemerkbar - und ab und zu trifft es selbst die berühmten bundesnahen Betriebe. Das Geschäft mit den Briefen nimmt Jahr für Jahr ab, ohne Maschinen geht es nicht mehr. Und auch die Sammler haben ein massives Nachwuchsproblem: Der Philatelisten-Verband ist nach Angaben der NZZ in den vergangenen 20 Jahren von 20 000 auf ein paar Tausend Mitglieder geschrumpft.

Die Post hat zwar das Gespräch mit den Sammlern gesucht und Philatelisten-Chef Leuthard sogar in ein Briefzentrum eingeladen. Was die "Stempelmachenschaft" angeht, ist sie aber hart geblieben - der Rundstempel bleibt, wo er ist. Die marktunabhängige Versorgung durch den Service Public: Sie gilt offenbar nicht für die aussterbende Spezies der Schweizer Briefmarkensammler.

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