Süddeutsche Zeitung

Behörden-Panne:Fiskus verteilte Steueridentifikationsnummern falsch

So unverwechselbar wie der Fingerabdruck soll die neue Steueridentifikationsnummer sein. Bei mehr als 160.000 Bürgern war sie das nicht: Sie erhielten gleich zwei Nummern oder mussten sich ihre mit jemandem teilen - mit unangenehmen Folgen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Viele Dinge machen einen Menschen einzigartig und unverwechselbar. Der Fingerabdruck hat es deshalb zu großer Bedeutung in der Polizeiarbeit und in Krimis gebracht. Auch das Muster der Iris ist bei jedermann verschieden. Selbst eineiige Zwillinge kann man anhand dieses Merkmals mit großer Sicherheit voneinander unterscheiden.

Die 2007 eingeführte Steueridentifikationsnummer soll einen ähnlichen Zweck erfüllen. Ein ganzes Leben lang soll sie den Bundesbürger begleiten, erst im Todesfall wird sie gelöscht, spätestens aber 20 Jahre danach. Sie steht in der ersten Post, die jedes neugeborene Kind vom Finanzamt erhält, genauer gesagt, vom Bundeszentralamt für Steuern. Die elfstellige Ziffernfolge ist sozusagen der Fingerabdruck des Steuerzahlers, einzigartig, unverwechselbar.

Oder auch nicht. Bei insgesamt 164 451 Steuer-IDs unterlief der Behörde ein Irrtum. Entweder erhielt ein Steuerzahler zwei Nummern, oder aber, schlimmer noch, zwei Steuerzahler bekamen dieselbe Nummer. Einzigartig? Unverwechselbar? Pustekuchen.

Der Bundesregierung sei bekannt, "dass es Sachverhalte gibt, in denen einer Person mehrere Steueridentifikationsnummern zugewiesen wurden", schreibt der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Michael Meister, etwas gewunden in einer der SZ vorliegenden Antwort auf eine Anfrage des Linken-Steuerexperten Richard Pitterle.

Manuelle Tippfehler

Dies könne geschehen, weil bei der Rückkehr nach einem Auslandsaufenthalt von den Meldebehörden häufig eine neue Steuer-ID angefordert werde, schreibt Meister weiter. Das Bundeszentralamt gehe den Fällen nach und habe, Stand Anfang Dezember des vergangenen Jahres, bereits 106 029 erledigt. Gut 14 000 doppelte Fälle würden derzeit noch bearbeitet.

Doch die von Meister beschriebene Variante, dass eine Person zwei Nummern erhalten hat, ist offenkundig nicht die einzige Form des Irrtums. Es gibt auch Klagen darüber, dass zwei Personen dieselbe Nummer bekommen haben. Dabei handelt es sich um etwa 1300 Fälle, wie das Zentralamt dem Fachdienst Steuerberater intern erklärte. Diese seien durch manuelle Eingabefehler zu erklären.

Und diese Form der Doppelvergabe kann ziemlich unangenehme Konsequenzen haben. Opfer dieses kuriosen Verwaltungsfehlers wurden zum Beispiel zwei Arbeitnehmer, die am gleichen Tag geboren sind, einen sehr ähnlichen Namen tragen, sonst aber nichts miteinander zu tun haben.

Wegen derselben Steueridentifikationsnummer, so der Fachdienst, wurde einer der beiden von seiner Firma in die Steuerklasse VI eingestuft. Diese kommt zum Zug, wenn ein Arbeitnehmer ein zweites Arbeitsverhältnis annimmt. In der Steuerklasse VI muss man die höchste Steuerlast überhaupt tragen, weil hier so gut wie kein Freibetrag mehr zur Geltung kommt.

Erst auf Nachfrage des perplexen Steuerzahlers stellte sich heraus, dass die Einordnung nur deshalb zustande kam, weil der Steuer-ID-Doppelgänger vor ihm eine Arbeit aufgenommen hatte. Wegen derselben Steueridentifikationsnummer galten die beiden für die Finanzbehörden als ein und dieselbe Person.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version konnte der Eindruck entstehen, dass die neue Steueridentifikationsnummer mit der Steuernummer, dem Begriff für die alte vergebene Nummer, gleichgesetzt wird. Wir bitten, die Verwirrung zu entschuldigen und haben das konkretisiert.

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SZ vom 13.02.2014/fran
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