Behinderte:Sie können bald mehr sparen

Die Regierung will die Lebensbedingungen von mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland verbessern. Kritik gibt's trotzdem, es geht um das Recht auf Selbstbestimmung.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist das Gesetzeswerk "eines der größten sozialpolitischen Vorhaben der Bundesregierung". Das Bundesteilhabegesetz soll die Lebensbedingungen von mehr als sieben Millionen schwer behinderten Menschen in Deutschland verbessern. Am Dienstag wird das Kabinett das Gesetz billigen. Sozialverbände hatten einzelne Regelungen scharf kritisiert. Nun will die Arbeitsministerin ihnen weiter entgegenkommen.

Das gilt auch bei der Frage, wie viel Geld Behinderte behalten dürfen, die ein eigenes Einkommen haben und vom Staat Eingliederungshilfe zum Beispiel für einen Betreuer (Assistenten) bekommen. Bislang konnten sie vom selbst verdienten Geld kaum etwas behalten. Nun steigen die Freibeträge von 2017 an um bis zu 260 Euro monatlich. Künftig dürfen Menschen mit Behinderung auch mehr sparen: Der Freibetrag erhöht sich zunächst von 2600 Euro um 25 000 auf 27 600 Euro. 2020 soll er auf etwa 50 000 Euro angehoben werden.

In dem Gesetz war bereits vorgesehen, das Einkommen von Partnern bei der Eingliederungshilfe nicht mehr heranzuziehen. Neu vereinbart ist nun, auch das Vermögen des Partners von 2020 an unberücksichtigt zu lassen. Die besseren Regeln für die Anrechnung von Einkommen und Vermögen sollen jetzt auch für diejenigen gelten, die sowohl Eingliederungshilfe als auch Hilfe zur Pflege beziehen. Im übrigen soll ein Vertrauensschutz gelten. Keiner werde durch das neue Gesetz schlechter gestellt, heißt es im Arbeitsministerium.

Nahles hält aber daran fest, dass Kommunen und Länder als Träger der Eingliederungshilfe bestimmte Leistungen bündeln, also etwa einen Begleiter für mehrere Menschen mit Handicaps einsetzen können. Dies ist erlaubt, wenn es "zumutbar" sei. Daran gibt es weiter Kritik: Es dürfe niemand gezwungen werden, "Assistenzleistungen etwa für einen Kinobesuch nur in der Gruppe nutzen zu dürfen. Das widerspricht dem Recht auf Selbstbestimmung", sagt die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele.

Das Gesetz sieht außerdem ein neues Budget für Arbeit vor. Arbeitgeber erhalten dadurch bis zu 75 Prozent des gezahlten Lohnes, wenn sie einen Behinderten einstellen. Es wird ein bundesweites Netzwerk von Stellen geschaffen, in dem Behinderte andere Menschen mit Behinderung beraten. Auch soll ein Reha-Antrag ausreichen, um Leistungen von Behörden wie Sozialamt, Rentenversicherung oder Bundesagentur für Arbeit zu erhalten.

Umstritten bleiben die Kosten: Das Ministerium rechnet für den Bund mit Zusatzkosten von 700 Millionen Euro von 2020 an. Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages, befürchtet jedoch für Kommunen höhere Ausgaben, weil in dem Gesetz neu definiert wird, was eine Behinderung überhaupt ausmacht. Was das für finanzielle Folgen habe, sei "schwer einschätzbar".

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