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Begrenzung hoher Managergehälter:Komplizierte Frage der Gerechtigkeit

Gehaltsexzesse verhindern, das ist eine Forderung, die sich auch im deutschen Wahlkampf gut macht. Doch wie könnte man Managergehälter überhaupt begrenzen? Und wem würde das etwas bringen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Nakissa Salavati und Oliver Klasen

Wie begrenzt man exorbitante Manager-Gehälter und hohe Millionen-Bonuszahlungen? Dieses gefühlte Gerechtigkeitsproblem wollen die Schweizer nun angehen. "Gegen die Abzockerei" - das ist der für das wirtschaftsfreundliche Land recht kämpferisch formulierte Name einer Volksinitiative, in der sich 68 Prozent für eine Begrenzung ausgesprochen haben. Damit setzen sie die Regierung in Bern unter Zugzwang. Politiker in Deutschland fordern jetzt auch hierzulande ähnliche Regelungen. Doch was lässt sich von dem Schweizer Votum lernen? Was sind die Vor- und Nachteile, wenn der Staat über Gehälter entscheidet? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was haben die Schweizer eigentlich beschlossen?

Auch wenn der kämpferische Name und die Reaktionen das nahelegen: Die direkte Deckelung von Managergehältern oder die Begrenzung von Bonuszahlungen haben die Schweizer im Grunde gar nicht beschlossen. Vielmehr sollen die Rechte von Aktionären gestärkt werden. Sie müssen künftig jedes Jahr über die Vergütungen von Managern und Aufsichtsräten entscheiden. Außerdem soll der Verwaltungsrat jedes Jahr neu gewählt werden. Der ist in der Schweiz im Gegensatz zum deutschen Aufsichtsrat mehr als ein reines Kontrollorgan. Er übernimmt auch die "Oberleitung" des Unternehmens, wie es im Schweizer Gesetz heißt.

Gänzlich verboten werden Begrüßungsgelder und Austrittsentschädigungen für Top-Manager. Auch üppigste Abfindungen, wie das erst geplante und dann unter heftigen Protesten zurückgenommene 60-Millionen-Euro-Abschiedsgeschenk für den scheidenden Pharmakonzern-Verwaltungsratspräsidenten Daniel Vasella soll es in Zukunft nicht mehr geben.

Deshalb kommt die Schweizer Entscheidung nach Ansicht von Beobachtern einer Revolution gleich. Die Bezüge von Firmenchefs werden künftig strengeren Auflagen und Kontrollen unterliegen. Das Signal, das von der Initiative ausgeht, lautet: Spitzenmanager und Aufsichtsräte werden sich künftig mit weniger Geld begnügen müssen.

Wie sieht es in der deutschen Politik aus?

Deutsche Politiker reagieren auf das Ergebnis aus der Schweiz. Quer über Parteigrenzen hinweg sprechen sie sich dafür aus, Top-Gehälter auch hierzulande zu begrenzen. Selbst die FDP will sich per Parteitagsbeschluss für die Stärkung der Aktionäre gegen Vorstände und Aufseher einsetzen. Im Gegensatz zu den Schweizern könnte das deutsche Volk eine solche Initiative nicht durch eine Volksabstimmung einbringen. In Deutschland haben ausschließlich der Bundestag, die Regierung oder der Bundesrat das Recht, einen Gesetzentwurf einzubringen. Anschließend muss er im Bundestag - und je nachdem auch im Bundesrat - eine Mehrheit finden. Volksbegehren gibt es in Deutschland praktisch nur auf Länderbene und nicht für eine nationale Regelung.

Was spricht politisch dafür, sich an der Schweiz ein Beispiel zu nehmen?

Offenbar empfinden die Wähler das Thema Vergütung und Vorstandsboni als wichtige Gerechtigkeitsfrage. In Umfragen der vergangenen Jahre sprechen sich regelmäßig viele für eine Begrenzung von Managergehältern aus - die Zustimmungsraten liegen eher noch höher als bei der Schweizer Initiative. Vergangene Woche ergab eine Studie im Auftrag von Handelsblatt Online, dass 79 Prozent dafür sind, auch in Deutschland Aktionäre über Vorstands - und Aufsichtsratsgehälter entscheiden zu lassen. Ein fast genauso hoher Anteil votierte dafür, feste Obergrenzen für Gehälter und Boni einzuführen. Einer Umfrage des Statististischen Bundesamtes von Ende Januar zufolge halten 74 Prozent der Deutschen die Managergehälter hierzulande generell für zu hoch.

Viele Beobachter stört, dass sich die eigentlich gute Idee der Boni - nicht immer das gleiche Gehalt, sondern je nach Leistung und Erfolg mehr oder weniger - heutzutage pervertiert wird. Auch die Financial Times - eigentlich dem Finanzsektor eher nahestehend - argumentiert, dass die Logik, für mehr Leistung auch mehr Gehalt zu verdienen, in den höchsten Managementsphären nicht mehr funktioniere. Einem Maurer, der 20-mal so viele Ziegelsteine verlege wie ein Kollege, könne man auch 20-mal so viel bezahlen. Es sei aber einfach unwahrscheinlich, dass ein Manager, der 20 Millionen verdiene, doppelt so produktiv sei wie sein Finanzchef, der 10 Millionen bekomme. In Chefetagen werde das Gehalt zur Machtfrage - und nun hätten die Schweizer Bürger eben ihre Macht geltend gemacht.

Was spricht dagegen?

Das Thema hat hohe politische Symbolkraft. Gerade darin liegt die Gefahr. Denn für Politiker ist es allzu bequem, die Manager anzugehen und darüber den dringend nötigen Umbau des Finanzsystems außer Acht zu lassen.

Um Finanzkrisen künftig zu verhindern oder in ihrer Wirkung zumindest abzumildern, ist nämlich viel mehr nötig. Das fängt bei den Eigenkapitalregeln für Banken an, geht über effizientere Finanzaufsichtsbehörden bis hin zur besseren Kontrolle des risikoreichen und spekulativen Hochfrequenzhandels. All das ist ziemlich kompliziert und mit Gesetzen nur schwer in den Griff zu bekommen.

Wissenschaftler wie Joachim Schwalbach, der als Professor für Management an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, sind der Ansicht, dass es nicht auf die Höhe der Vorstandgehälter ankommt, sondern auf deren Zusammensetzung. Bonuszahlungen müssten strikt am Unternehmenserfolg ausgerichtet und nachvollziehbar sein. "Im Grunde müsste das jeder Aktionär mit einem Taschenrechner ausrechnen können", sagt Schwalbach. Die Vergütungssysteme seien derzeit aber viel zu kompliziert und daran sei die Politik zum Teil selber schuld. Weil sie bei der variablen Vergütung eine mehrjährige Bemessungsgrundlage eingefordert habe, würden Auszahlungen über mehrere Jahre verteilt, was Transparenz und Vergleichbarkeit der Gehälter verringere.

Vorstandsgehälter und Boni gesetzlich zu begrenzen lehnt Schwalbach strikt ab. "Wenn sie den Bonus begrenzen, führt das nur dazu, dass Fixgehälter und Pensionszahlungen steigen", so der Wirtschaftsprofessor.

Was lässt sich auf europäischer Ebene überhaupt ausrichten?

Auf gesetzliche Einschränkungen reagieren Unternehmen und marktliberale Experten oft verschreckt: Schließlich könnte eine Regulierung dazu führen, dass Firmen dorthin abwandern, wo sie weniger Beschränkungen fürchten müssen, etwa in die USA. In der Finanzbranche der Vereinigten Staaten nämlich werden politische Gehaltsgrenzen als unverantwortliche Eingriffe in den freien Markt abgelehnt. Allerdings würde eine Regulierung, wie sie die Schweizer wollen, gerade den Aktionären und nicht dem Gesetzesgeber die Macht geben, übertrieben gierige Manager abzustrafen. So stellte sich 2012 die Mehrheit der Aktionäre der Citibank gegen das 15-Millionen-Gehalt ihres Chefs Vikram Pandit. Allerdings hatte ihr Votum keine bindende Wirkung. Genau hier setzt die Schweizer Initiative an.

Die EU hat gerade Vorschläge zur Begrenzung exorbitanter Boni gemacht. Wo liegen die Unterschiede zur Schweizer Inititiative?

Geht es nach Kommission und Europäischem Parlament, dürfen in Zukunft Boni an Banker nur noch so hoch ausfallen wie ihr festes Grundgehalt. Nur unter "gewissen Bedingungen" könnten Aktionäre ausnahmsweise einen Bonus genehmigen, der doppelt so hoch ist wie das Festgehalt. Der größte Unterschied des EU-Vorschlags zur Schweizer Initiative besteht darin, dass er sich auf Banken beschränkt. Zudem strebt die EU eine direkte Deckelung der Boni an. Anders in der Schweiz: Hier wäre es den Aktionären überlassen, über die Vergütung inklusive Boni zu bestimmen. Weiter als der EU-Vorschlag geht dagegen der Wille der Schweizer Bürger, Begrüßungsgelder und Abschiedsentschädigungen für Manager komplett zu verbieten.

Was verdienen deutsche Manager - und wie ist das in der Schweiz?

Insgesamt fast 18 Millionen Euro strich Martin Winterkorn, der Chef von Volkswagen, 2011 ein - so viel wie noch kein Dax-Chef vor ihm. 2012 hätten ihm sogar mehr als 20 Millionen zugestanden, deshalb kürzte das Unternehmens sein Gehalt. Die Vergütung des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann belief sich 2011 auf 9,5 Millionen Euro, Dieter Zetsche von Daimler folgte mit 8,8 Millionen.

In der Schweiz verdienen Manager ähnlich viel: Der Chef des Pharma-Konzerns Roche, Severin Schwan, bekam 2012 etwa neun Millionen Euro, Nestlé-Chef Paul Bulcke etwa acht Millionen. Besonders entrüstet haben die Schweizer allerdings die 60-Millionen-Rekordzahlung für Noch-Novartis-Chef Daniel Vasella. Auch der ehemalige Bundesbankchef Axel Weber wurde bei seinem Antritt bei der Schweizer Großbank UBS mit mehr als drei MIllionen Euro begrüßt - ohne überhaupt mit der Arbeit begonnen zu haben. Solche Zahlungen werden wegen der erfolgreichen Abstimmung vom Sonntag verboten.

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