Begehrter Krill:Raubzug in der Antarktis

Omega-3-Fettsäuren gelten als Wundermittel. Eine Quelle dafür ist Krill, winzige Krebstiere, die in der Antarktis zu finden sind. Sie sind ein wichtiges Nahrungsmittel für Wale, Robben und Pinguine. Die Fangflotten sind für sie eine Bedrohung.

Von Silvia Liebrich

Die Werbeversprechen klingen ähnlich: Fischöl mit Omega-3-Fettsäuren sei "essentiell" für eine gesunde Ernährung, heißt es da auf einer Pillenpackung. Andere Hersteller versprechen Linderung bei Gelenkschmerzen oder eine Stärkung von Herz und Kreislauf. Aus wissenschaftlicher Sicht sind solche Gesundheitsversprechen zwar umstritten, dem Umsatz der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln scheint das aber wenig anhaben zu können. Das Geschäft mit Fischöl-Produkten boomt. Woher die Rohstoffe dafür stammen, steht in der Regel nicht auf der Verpackung. Wäre dies so, würden vermutlich so mancher Verbraucher seine Kaufentscheidung überdenken.

Eine wichtige Quelle für solche Gesundheitsprodukte ist antarktischer Krill. Das sind winzige Krebstierchen, die am unteren Ende der Nahrungskette stehen und das gesamte Ökosystem der kalten Gewässer rund um den Südpol am Laufen halten. Eine ernsthafte Gefahr für dieses empfindliche Gleichgewicht geht von der industriellen Fischerei aus, die seit einigen Jahren auch dort zunimmt. Das zeigt eine Studie, die Greenpeace in dieser Woche vorgelegt hat. Die erhobenen Daten machten deutlich, dass die Krillindustrie längst nicht so nachhaltig sei, wie dies oft dargestellt werde, sagt Meeresexpertin Sandra Schöttner. Sie kritisiert, dass selbst Unternehmen mit dem MSC-Label für "zertifizierten, nachhaltigen Fisch und Meeresfrüchte" in diesen empfindlichen Regionen unbehelligt Krill fischen würden.

Schätzungen zufolge ist der Bestand an Krill seit den 1970er Jahren um 80 Prozent gesunken. Schuld daran ist vor allem die Erderwärmung. Zusätzlicher Druck geht jedoch seit einigen Jahren von Fangflotten aus. "Riskante Fischerei-Praktiken gefährden das Überleben von Pinguinen, Robben und Walen", sagt Schöttner. Aus überalterten Schiffe seien bereits große Mengen Öl ausgelaufen. Ein Schiff sei nach einem Brand in der Nähe einer Pinguin-Kolonie auf Grund gelaufen. Wie viel Krill im Südpolarmeer gefischt werden darf, bestimmt die Antarktis-Kommission CCAMLR. Ein Problem aus Sicht von Greenpeace ist jedoch, dass die Fanggebiete auch dort liegen, wo Robben, Pinguine und Wale ihre Nahrung suchen.

Umweltschützer und einige Länder fordern deshalb, im Weddel-Meer das größte Meeresschutzgebiet der Welt einzurichten. Eine Südpol-Region, auf die Großbritannien, Argentinien und Chile Besitzanspruch erheben, und die sie weitgehend unter Schutz stellen wollen. Das schürt Konflikte mit großen Fischfangnationen wie Norwegen, China, Südkorea und Japan, die dort unterwegs sind und in den Ausbau ihrer Flotten investieren. Der größte Teil des gefangenen Krills wird zu Fischfutter verarbeitet, doch noch mehr Gewinn verspricht die Herstellung von wertvollem Krillöl. Die Umweltschützer sehen vor allem darin den entscheidenden Treiber für den Expansionsdrang der Fischindustrie.

Krillöl als Omega-3-Nahrungsergänzungsmittel wird meist in Kapselform angeboten. Nach den USA und China ist Deutschland der drittgrößte Markt. Der Umsatz mit dem Stoff belief sich 2015 weltweit auf mindestens 200 Millionen Dollar. Dabei sind Gesundheitsprodukte aus Krillöl nach Ansicht von Umweltschützerin Schöttner bei ausgewogener Ernährung völlig unnötig, Menschen mit erhöhtem Omega-3-Bedarf könnten auf Alternativen aus Leinöl oder auf Basis von Mikroalgen zurückgreifen. Auch auf Seiten der Hersteller mangele es an Problembewusstsein: "Das Marketing für Omega-3-Pillen ist sich nicht zu schade, sogar mit Kaiserpinguinen auf der Verpackung zu werben", kritisiert sie.

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