Süddeutsche Zeitung

Befristete Jobs:Die Post bleibt stur

  • Die Post hält es für richtig, die Entfristung von Arbeitsverträgen mit Bedingungen zu verknüpfen - etwa dass Mitarbeiter nur wenige Tage krank sein dürfen.
  • Der Konzern argumentiert, Angestellte müssten für den Job körperlich fit sein.
  • Diese Praxis halten Regierungspolitiker für "moralisch höchst verwerflich", sie hatten angekündigt, ihren Einfluss im Konzern zu nutzen.

Von Caspar Busse

Die Deutsche Post will ungeachtet aller Kritik nicht von der umstrittenen Praxis bei der Entfristung von Arbeitsverträgen abrücken. Der Bonner Konzern übernimmt Angestellte nur dann unbefristet, wenn sie zuvor innerhalb von zwei Jahren nicht mehr als 20 Krankheitstage hatten und nicht mehr als zwei selbst verschuldete Unfälle mit konzerneigenen Fahrzeugen. "Wir werden an den Eckpunkten festhalten, denn sie haben sich in der Praxis bewährt und sind arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden", sagte Thomas Ogilvie, 41, im Vorstand der Post für Personal zuständig, der Süddeutschen Zeitung.

An der Praxis hatte es zuvor massive öffentliche Kritik gegeben. Das sei "nicht in Ordnung", hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz gesagt und eine Intervention angekündigt. Der Bund hält noch knapp 21 Prozent der Aktien des ehemaligen Staatskonzerns. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil appellierte an die soziale Verantwortung der Post. Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sagte, es sei "moralisch höchst verwerflich, dass man die Entfristung von Arbeitsverträgen daran koppelt, wie gesund oder wie selten krank die Beschäftigten bei der Deutschen Post sind".

Ogilvie will all das nicht gelten lassen und beharrt auf der Praxis. "Unsere Mitarbeiter, die auch bei Wind und Wetter rausmüssen, brauchen eine gewisse körperliche Fitness", argumentiert er. Die Kriterien seien auch nur Anhaltspunkte. Die Verantwortlichen, die vor Ort über jede einzelne Entfristung entscheiden müssen, hätten Entscheidungsspielräume und das letzte Wort. "Wenn es eine Grippewelle gab oder jemand einen Sportunfall mit langer Ausfallzeit hatte, kann von den Eckpunkten durchaus abgewichen werden", so Ogilvie, "und das geschieht auch". Weltweit beschäftigt der Logistikkonzern 520 000 Mitarbeiter, davon 200 000 in Deutschland, davon wiederum 108 000 Zusteller. Konzernweit liegen bei der Deutschen Post die Fehlzeiten bei 5,2 Prozent, was etwa zehn bis zwölf Fehltagen im Jahr entspricht.

Man zahle Mindestlohn, man sei sich seiner Verantwortung bewusst

"Wir brauchen Kriterien wie jeder andere Arbeitgeber auch, weil wir nicht willkürlich allein nach Bauchgefühl über die Entfristung von Verträgen entscheiden wollen", betont Ogilvie, der 2001 im Konzern angefangen hat und nach einer steilen Karriere seit September vergangenen Jahres Personalvorstand des Konzerns ist. Das Geschäft schwanke saisonal sehr stark, das habe Auswirkungen auf den Mitarbeiterbedarf. So seien die Mengen, die ausgetragen werden, in der Weihnachtszeit mindestens doppelt so hoch wie in den eher flauen Sommermonaten. Für solche arbeitsintensiven Monate würden Arbeitskräfte befristet eingestellt. "Wir brauchen eine flexible Personalreserve", sagt Ogilvie. Zwar gehen die Volumina bei der Briefzustellung seit Jahren kontinuierlich zurück, das Paketgeschäft dagegen entwickelt sich aber angesichts des steigenden Onlinehandels deutlich nach oben. Jedes Jahr würden deshalb etwa 10 000 neue Jobs geschaffen.

Es gebe "ein hohes Interesse, geeignete Mitarbeiter auf längere Zeit zu binden", betont Ogilvie. Im vergangenen Jahr seien bei der Deutschen Post 9000 Arbeitsverträge entfristet worden, bereits 2500 waren es im ersten Quartal 2018. Gerade im Bereich der Paketzustellung werde seit einigen Monaten in der Regel nicht mehr auf zwei, sondern nur noch auf ein Jahr befristet. Zudem würden Verträge meist schon nach sechs Monaten in unbefristete umgewandelt. Im Durchschnitt sind in Deutschland insgesamt etwa 13 Prozent aller Arbeitsverhältnisse befristet, bei der Deutschen Post liege der Anteil darunter, heißt es. Genaue Zahlen werden nicht genannt. Alleine in der Briefzustellung soll es aber knapp 15 000 befristet angestellte Mitarbeiter geben. Die Bundesregierung will die sogenannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen eindämmen, so steht es auch im Koalitionsvertrag.

"Das Ausmaß der öffentlichen Diskussion und die meist verkürzte Behandlung dieses Themas hat mich durchaus überrascht und auch verwundert", sagt Ogilvie. Bei der Deutsche-Post-DHL-Gruppe sei man sich als einer der größten privaten Arbeitgeber weltweit der sozialen Verantwortung "sehr bewusst". Und: "Wir liegen bei der Entlohnung unserer Mitarbeiter signifikant über dem Mindestlohn, im Gegensatz zu vielen unserer Mitbewerber." Der Konzern machte 2017 einen Umsatz von 60 Milliarden Euro und erzielte einen Jahresüberschuss von 2,7 Milliarden Euro.

Zur Ankündigung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, er werde den Einfluss des Bundes als Post-Aktionär nutzen, um die kritisierte Praxis zu prüfen und abzuschaffen, sagte Ogilvie: "Wir sind mit unserem Aufsichtsrat zu allen aufsichtsratsrelevanten Themen im permanenten Dialog und sprechen dort natürlich auch über Personalthemen."

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SZ vom 17.05.2018/sana
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