Wenn Friedman dafür ist, dann kann die Idee schon mal nicht so links sein. Und wenn es auch Martin Luther King gut fand, dann muss es auf jeden Fall sozial sein. Oder ist es so, dass jeder etwas anderes meint, wenn er vom Grundeinkommen spricht? Sollte es nicht zu denken geben, wenn eine Idee so viele unterschiedliche Befürworter hat - von Linksaußen bis Rechtsaußen?
Natürlich ist es wie immer. Dass man diejenigen am besten hört, die am lautesten und häufigsten rufen. Männer wie Götz Werner, 73-jähriger Gründer der Drogeriekette dm, Milliardär und Anthroposoph. Sein vor zehn Jahren herausgekommenes Buch "Einkommen für alle" erscheint längst als Paperback; wenn sein Gegenüber Einwände gegen das Einkommen für alle bringt, lächelt er manchmal wie ein religiöser Mensch, der überzeugt ist, dass das Gegenüber eines Tages auch noch zu Gott finden wird. Die Hauptthese, mit der er in Talkshows hausiert: "Einkommen ist ein Bürgerrecht, Vollbeschäftigung eine Illusion." Er fordert deshalb 1 000 Euro für jeden. Finanzierung? Kein Problem. Werner würde die Einkommensteuer allmählich abschaffen und die Mehrwertsteuer als eine Art "Konsumsteuer" auf 50 Prozent hieven.
Am Ende könnte der Sozialversicherungsstaat zerschlagen werden
Kritik bekommt der Anthroposoph: von links. "Eine solche Mehrwertsteuererhöhung träfe nicht den Multimillionär, der den nächsten Brillantring für seine Gattin dann eben auf den Bahamas kauft", sagt Christoph Butterwegge. "Es träfe sozial Benachteiligte, die ihr Grundeinkommen durch den Kauf teurer Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs selbst finanzieren würden. Vor allem Familien mit Kindern würden darunter leiden."
Christoph Butterwegge ist emeritierter Politikprofessor und gerade mit seinen Kindern aus dem Kölner Zoo gekommen, jetzt braucht er einen Kaffee. Orange Tasse oder rote Tasse? Der Mann, der ein paar Tage später als Kandidat der Linken 128 Stimmen in der Bundesversammlung bekommen und natürlich nicht Bundespräsident wird, nimmt die rote Tasse. Mit viel Milch.
Butterwegge setzt sich auf die Wohnzimmercouch, draußen vor dem Terrassenfenster ein gepflegter Kölner Vorstadt-Garten, hinter seinem Rücken eine Köln-bei-Nacht-Aufnahme mit Dom und leuchtender Hohenzollernbrücke, daneben ein Bücherregal. Auch der Armutsforscher aus dem Rheinland gehört nicht zu den Menschen, die so ein Grundeinkommen unbedingt bräuchten. Er will ja auch keins.
Butterwegge sagt, was er vom bedingungslosen Grundeinkommen hält: gar nichts. "Bei 82 Millionen Menschen 1000 Euro pro Kopf im Jahr - das wäre eine Billion Euro im Jahr", rechnet der Wissenschaftler. "Wie soll man das finanzieren? Es würde nicht gehen, ohne sämtliche andere Sozialleistungen zu schleifen." Butterwegge spricht an diesem Nachmittag viel von "Bedarfsgerechtigkeit". Wenn das im Grunde sehr liberale Silicon Valley so sehr für das Grundeinkommen eintrete, könne etwas nicht stimmen. Und er sagt einen der klassischen Butterwegge-Sätze: "Am Ende könnte der Sozialversicherungsstaat mithilfe des Grundeinkommens und seiner linken Befürworter zerschlagen werden."
Ausgerechnet Linke zerschlagen den Sozialstaat? So weit kommt es noch. Verkürzt würde das dann so aussehen: Wohlfahrtsstaat abschaffen und durch einen Pauschalbetrag ersetzen, das wäre auch das Ende einer gigantischen Sozialstaats-Bürokratie. Butterwegge spricht von einer "Stilllegungsprämie für Millionen von Menschen". 1000 Euro - und dann ist Ruhe.
Nun muss man sagen: Es gibt viele Modelle zum Grundeinkommen, und noch mehr Rechenmodelle. Grundsatzfragen stellen sich bei jeder Version. Kann man von 1000 Euro im Monat leben? Sich krankenversichern? Gegen Notfälle absichern? Eine Miete in Gegenden wie München, Hamburg oder Düsseldorf zahlen? Was wird aus Rente und Krankenversicherung, aus Arbeitslosen- und Pflegeversicherung - wird es die noch geben, für wen und welchen Preis? Und was wird aus bereits erworbenen Ansprüchen auf Sozialleistungen?
Was wird am Ende wie verrechnet? Oder wird es am Ende doch Bedingungen geben? Am Ende aber laufe es darauf hinaus, sagt Butterwegge: "Entweder ist es nicht bedingungslos oder unbezahlbar."