Wahrscheinlich hat die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik Finnlands zuletzt in den frühen 1990er-Jahren so viel Aufmerksamkeit bekommen. Damals durchlitt das Land eine Wirtschaftskrise. Nun testet man dort ein bedingungsloses Grundeinkommen, und erneut schauen viele genau hin.
Was beim Blick gen Norden untergeht: Auch in Deutschland tut sich derzeit einiges, das die Debatte um ein Grundeinkommen in den kommenden Monaten prägen wird. Im Oktober und Dezember vergangenen Jahres haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zwei Untersuchungen veröffentlicht. Für das erste Papier ließ Wolfgang Strengmann-Kuhn, sozialpolitischer Sprecher der Grünen, herausarbeiten, ob ein Modellversuch wie in Finnland auch hier rechtlich möglich wäre. Das zweite Papier hat Linken-Chefin Katja Kipping initiiert, seit Jahren Mitglied im "Basic Income Earth Network".
Ungleichheit:Das Grundeinkommen ist nur ein Märchen
Ob links oder rechts, ob Top-Manager oder auf Hartz IV: Alle lieben das Grundeinkommen. Dabei wird es die Ungleichheit weiter zementieren.
Für das Grundeinkommen müsste das Gesetz geändert werden
In beiden Fällen kommen die Wissenschaftler zu interessanten Ergebnissen: Ein Modellversuch im finnischen Stile wäre hierzulande rechtlich möglich. Dazu wäre eventuell ein eigenes Gesetz notwendig. Es müsse sicher sein, dass der Versuch zeitlich und räumlich begrenzt wäre und "die Auswahl innerhalb der Zielgruppe zufällig erfolgen würde", so die Forscher.
Auch ein bundesweites Grundeinkommen, das zeigt der zweite Bericht, verbietet das Grundgesetz nicht pauschal. Allerdings kommt es, so die Wissenschaftler in beiden Fällen, auf die konkrete Umsetzung an, und es wären weitgehende Gesetzesreformen notwendig. Beides ist insofern spannend, als es zwar bereits in den 1970er-Jahren Modellversuche in den USA und später in anderen Ländern gab, aber hier bisher nur eine private Berliner Initiative mittlerweile 74 einjährige Grundeinkommen per Crowdfunding finanziert hat.
Strengmann-Kuhn hatte das Papier vor allem in Auftrag gegeben, um zu erfahren, ob ein Versuch rechtlich möglich wäre, "denn in Deutschland sind solche Experimente unüblicher als beispielsweise in den USA", sagt er. Ein Versuch hat seiner Ansicht nach den Vorteil, die ewig diskutierte Frage zu beantworten, wie die Menschen sich verhalten, wenn sie ohne Vorbedingungen Geld bekommen.
Der Ausgang des finnischen Experiments wird wichtig
Trotz der Studien halten sowohl der Grünen-Politiker als auch Kipping andere Bedingungen als in Finnland für sinnvoll: "Spannend wären Experimente, bei denen in einer Region jeder ein Grundeinkommen kriegen würde", sagt Strengmann-Kuhn. In Finnland profitieren nur Erwerbslose vom Versuch. Kipping hält auch die Höhe des dortigen Betrags, 560 Euro, für nicht aussagekräftig: "Die Höhe des Grundeinkommens muss auch wirklich die Existenz und Teilhabe sichern", sagt sie.
Obwohl die Papiere bisher wenig Beachtung fanden, ist davon auszugehen, dass das Thema bald wieder stärker in der Politik diskutiert wird. Zum einen wird voraussichtlich im Februar eine europäische Resolution verabschiedet werden, die die Länder dazu auffordert, sich damit zu befassen, wie sie die Sozialsysteme verändern müssen, wenn häufiger Roboter Jobs von Menschen übernehmen. Laut der Resolution sollen die Länder auch ein Grundeinkommen in Erwägung ziehen. Auf nationaler Ebene formiert sich in Deutschland zudem eine Partei, mit dem einzigen Ziel, das Thema Grundeinkommen aufs große Tableau zu bringen - ohne Festlegung auf eine Variante oder einen konkreten Betrag.
Wie die Debatte verlaufen wird, hängt dennoch weiter am Blick gen Norden. "Es ist auch für die Diskussion in Deutschland wichtig, wie die Ergebnisse vor allem in Finnland aussehen", glaubt Grünen-Politiker Strengmann-Kuhn.