Auf seinem Villengrundstück in Steinach am Schweizer Ufer des Bodensees hat Richard Orthmann, 64, drei Flaggen gehisst, eine davon flattert schwarz-rot-gold. Dabei ist er im Sommer Schweizer Staatsbürger geworden. Den deutschen Pass hat er auch noch, vorerst. Sein jüngerer Sohn hat seinen schon zurückgegeben. "Ich bin nur noch dann Deutscher, wenn Fußball-WM ist", sagt er. Zu übel habe die deutsche Justiz seiner Familie mitgespielt, und das hängt mit der Zeit zusammen, als sein Vater ein mächtiger Mann bei der Beate Uhse AG war.
Richard Orthmann hat mit der Erotikfirma alles erlebt: gute Zeiten und schlechte, das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte - und den tiefen Fall. Er war erst Steuerberater, später Aufsichtsratsvorsitzender, und hat dabei geholfen, die Firma an die Börse zu bringen. Im März 1999, mitten im New-Economy-Rausch, platzierte die Beate Uhse AG ihre Aktien für 7,20 Euro das Stück; drei Tage später waren sie fast viermal so viel wert, genau 28,20 Euro.
Verrückte Zeiten. In jeder Hinsicht. Denn seither ging es vor allem in die andere Richtung: bergab. An diesem Freitag waren die Aktien beinahe wertlos, der Kurs lag bei gerade noch neun Cent, und auch sonst befand sich die Beate Uhse AG am Tiefpunkt. Am Vormittag gab das Flensburger Unternehmen bekannt, dass es beim Amtsgericht einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenregie gestellt hat.
Damit ist eine Firma pleite, die fast alle Deutschen kennen und wo im Laufe der Jahre weit mehr Menschen eingekauft haben, als es jemals zugeben werden. Gegründet wurde das Erotikhaus 1951 von der Pilotin Beate Uhse, die eine Marktlücke erkannte. Damals begann gerade das deutsche Wirtschaftswunder, und Uhse bot zunächst vor allem Kondome und Bücher zur "Ehehygiene" an. Dann begannen die Deutschen allmählich, sich wieder etwas zu leisten, die Gesellschaft wurde langsam auch freizügiger, und manche leisteten sich eben auch Sexspielzeug, gewagte Dessous oder Pornohefte. Die gab es in den Sexshops zu kaufen, von denen Uhse ab 1962 einen nach dem anderen eröffnete.
Die Konkurrenz war schneller und aggressiver
Vier Jahrzehnte funktioniert dieses Geschäftsmodell sehr gut, die Firma expandierte auch ins Ausland. 2005 macht sie so viel Gewinn wie nie zuvor und danach, 22 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern.
Verglichen mit damals ist das Geschäftsvolumen seither um fast zwei Drittel geschrumpft. Heute gehen die meisten Menschen, die erotisches Spielzeug oder Pornofilme suchen, nicht mehr in einen Sexshop, sondern ins anonyme Netz, zu Youporn und anderen. Die Digitalisierung, sagen sie in Flensburg, habe alles verändert. Natürlich hat Beate Uhse sich angepasst und bietet vieles nun online an. Die Konkurrenz aber war schneller und aggressiver. Auch deshalb ist Beate Uhse pleite.
Es ist nicht das erste Mal, dass es Spitz auf Knopf steht bei dem Unternehmen. Vor gut einem Jahrzehnt war die Beate Uhse AG schon einmal in Schieflage geraten, und daraus entwickelte sich ein spektakulärer Wirtschaftskrimi mit bizarren Zügen, der auch einiges über die tief verwurzelten Probleme des Unternehmens aussagt. Der aber vor allem die Justiz in Schleswig-Holstein alles andere als gut aussehen lässt.