Vor fünf Jahren hat Bernie Ecclestone in seinem Formel-1-Büro in London einen Mahnbrief erhalten, den er als unverschämt empfand. Der Chef der Rennserie sollte 2,3 Millionen Dollar nachzahlen, an die Firma eines gewissen Gerhard Gribkowsky aus Deutschland, der Vorstandsmitglied von Bayerns Landesbank war. Die beiden kannten sich schon länger und redeten einander mit Bernie und "Görhard" an. Bernie hatte "Görhard" schon viele Millionen Dollar gegeben, nun wollte er seine Ruhe haben. Der Brite soll das Mahnschreiben in den Reißwolf gesteckt haben.
Jetzt gibt es neue Post an Ecclestone, adressiert an dessen Anwälte. Dieses Mal direkt von der BayernLB, wie aus Bankkreisen zu hören ist. Und nun hilft auch kein Häcksler mehr. Die Landesbank in München, die einst Hauptaktionär der Formel 1 war, fordert von deren Chef mehr als 400 Millionen Dollar. Um diese Summe soll die Staatsbank geschädigt worden sein, als sie Ende 2005 ihre Anteile an der Rennserie verkaufte. Die Transaktion hatte der damalige BayernLB-Vorstand Gribkowsky ausgehandelt, vor allem mit Ecclestone. Der Brite ließ, zusammen mit einer Stiftung seiner damaligen Frau, dem Deutschen hinterher heimlich 44 Millionen Dollar zukommen.
Später flog das auf. Gribkowsky kam vor Gericht und gestand, das sei Schmiergeld gewesen. Der frühere Banker wurde zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt und sagte anschließend bei der Münchner Staatsanwaltschaft als Zeuge gegen Ecclestone aus. Nun muss auch der Brite damit rechnen, dass ihm der Prozess gemacht wird. So lange will die BayernLB aber nicht warten. Die Landesbank hat bei der Justiz Einblick in die Ermittlungsakte Ecclestone genommen. Und was die Anwälte der BayernLB dort lesen konnten, führt nun zu der horrenden Schadensersatzforderung.
Denn Gribkowsky hat als Zeuge erklärt, er hätte beim Verkauf der Formel-1-Anteile der Landesbank vielleicht mehr herausholen können als die seinerzeit netto erlösten 756 Millionen Dollar. Aber Ecclestone habe nicht nur den Käufer gebracht, eine internationale Investmentgesellschaft, sondern auch den Kaufpreis vorgegeben. Im Nachhinein betrachtet wären die Formel-1-Anteile der BayernLB 350 Millionen Euro mehr wert gewesen. Hätte er damals mehr gewusst, dann hätte er versucht, einen höheren Preis zu erzielen, berichtete Gribkowsky den Ermittlern.
Renn-Boss Ecclestone soll dem Banker vor dem Verkauf der Renn-Aktien der Landesbank bedeutet haben, er (der Brite) werde hinterher für ihn (den Deutschen) sorgen. Gribkowsky gestand vor Gericht, er habe daraufhin Ecclestones Interessen wahrgenommen, der die ihm lästige Staatsbank unbedingt loswerden wollte. Und er, "Görhard", habe Bernie sowie der Bambino-Stiftung von dessen damaliger Frau beim Ausstieg der BayernLB aus der Formel 1 sogar noch Provisionen und Ausgleichszahlungen in Höhe von 66 Millionen Dollar zukommen lassen. "Ich habe das nicht wegverhandelt." Die 66 Millionen macht die BayernLB ebenfalls als Schadensersatz beim Formel-1-Chef geltend. Zusammen mit den 350 Millionen ergibt das insgesamt mehr als 400 Millionen Dollar. "Die Landesbank handelt konsequent", erklärt Bayerns Finanzministerium dazu.
Freiwillig zahlt der Brite ganz bestimmt nicht. Bernie sagte wiederholt, er sei von "Görhard" erpresst worden und habe nur deshalb dem Banker die Dollar-Millionen gegeben. Zudem will Ecclestone beim Ausstieg der BayernLB aus der Formel 1 für die Staatsbank einen "sehr guten Preis herausgeholt" haben. Demnach müsste die Staatsbank dem Renn-Boss eigentlich zu Dank verpflichtet sein, statt Schadensersatz von ihm zu fordern.