Bayer:Wenn die Geier kreisen

Bayer AG

Das Bayer-Werk in Leverkusen. Die Patente für einige Kassenschlager des Konzerns laufen in den nächsten Jahren aus.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Nach dem Monsanto-Fiasko hat Bayer-Chef Baumann das nächste Problem: Der aggressive US-Hedgefonds Elliott steigt ein. Die Amerikaner sind spezialisiert aufs Zerschlagen.

Von Elisabeth Dostert, Thomas Fromm und Vivien Timmler

Es ist nicht einmal ein halbes Jahr her, da machte Bayer-Chef Werner Baumann noch Witze über den berüchtigten amerikanischen Hedgefonds-Investor. Ob es stimme, dass der aktivistische Fonds Elliott schon als neuer Aktionär vor der Tür stehe, wurde Baumann bei der Bilanzpressekonferenz gefragt. Der 56-jährige Krefelder versuchte es mit Humor: "Elliott ist der Freund meiner Tochter", sagte er. "Mit dem habe ich neulich noch gesprochen, mehr gibt es dazu nicht zu vermelden." Es war eine dieser typischen Äußerungen, die nicht so richtig lustig sind und die jemand macht, um ein Thema für's Erste mal abzuräumen. Das Problem mit solchen Gags ist nur: Irgendwann kommt das Thema mit voller Wucht zurück - und dann ist es nicht mehr lustig.

Wo der Investor auftaucht, wird es in der Regel schnell ungemütlich

So wie jetzt. Nicht Elliott, der Freund von Baumanns Tochter, war es, der sich am Mittwochabend meldete, sondern eben jener US-Hedgefonds Elliott, hinter dem der aktivistische und bisweilen auch aggressive Investor Paul Singer steht. Er hat zum ersten Mal seine Beteiligung am deutschen Pharma- und Chemiekonzern öffentlich gemacht, und es ist noch nicht viel, was die Amerikaner an dem Krisenkonzern Bayern halten. Aber es könnte ein wichtiger Anfang sein: 1,1 Milliarden Euro haben die von Elliott beratenen Fonds demnach in den Konzern investiert; bei einem Börsenwert von zuletzt etwa 54 Milliarden Euro ist das ein Anteil von zwei Prozent.

Aber warum Bayer, und warum Elliott? Fondsgründer Singer ist dafür bekannt, bei Beteiligungen notfalls mit aggressiven Methoden seinen Willen durchzusetzen. Seine Fonds verdienen Milliarden damit, gegen angeschlagene Firmen und Staaten zu spekulieren. Ob bei der Absetzung des früheren Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld beim US-Konzern Arconic oder bei Schuldenschlachten um Anleihen von Krisenländern wie Griechenland oder Argentinien, ob beim Industriekonzern Thyssenkrupp, beim Energiekonzern Uniper und beim Anlagenbauer Gea: Wo Elliott auftaucht, wird es ungemütlich. Singer mischte in den vergangenen Jahren immer wieder mit teils rabiaten Mitteln mit. Zwar sind die Elliott-Fonds häufig nur mit wenigen Prozenten an den Unternehmen beteiligt - der Druck aber, den Elliott ausübt, ist ungleich höher.

Bayer, jener Aspirin- und Agrarchemie-Produzent aus Nordrhein-Westfalen, der sich mit der 63-Milliarden-Dollar-Übernahme des US-Saatgut-Konzerns Monsanto im vergangenen Jahr schwer verhoben hat, passt ins Beuteschema der Elliott-Leute. Mit Monsanto, genannt "Monsatan", dem möglicherweise umstrittensten und meistgehassten Unternehmen der Welt, hatte sich Baumann nicht nur Neugeschäft, sondern auch juristische Milliardenrisiken ins Haus geholt. Tausende klagen derzeit, weil sie ihre Krebserkrankung auf den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat zurückführen, und der wird unter dem Namen "Roundup" von Monsanto vertrieben. Was die Sache für Paul Singer so attraktiv macht: Drei Gerichtsprozesse hat Bayer in erster Instanz verloren, was den Aktienkurs immer weiter nach unten prügelte. Weitere 13 400 Klagen stehen noch aus. An der Börse ist Bayer inzwischen weniger wert, als die Leverkusener im vergangenen Jahr für den Glyphosat-Hersteller Monsanto gezahlt haben. Bayer ist also zu einem Schnäppchen geworden für aktivistische Investoren wie Elliott.

Der Reiz an Unternehmen wie Bayer: Sie lassen sich zerschlagen, die Einzelteile, so das Kalkül, sind dann hinterher am Markt in der Summe mehr wert als das zusammenhängende Unternehmen. Tatsächlich hatte Elliott in der Vergangenheit schon mehrmals auf eine Zerschlagung von Firmen gedrängt. Im Januar hatte der Fonds den Online-Marktplatz Ebay zur Aufspaltung gedrängt, und auch bei Bayer haben Investoren dem Vernehmen nach längst eine Zerlegung des Konzerns in seine Einzelteile Pharma- und Agrargeschäft durchgespielt. Baumann hatte einen solchen Radikalschnitt allerdings vehement abgelehnt. Die Frage ist nur: Wie lange ist er nach einem Einstieg der Investoren überhaupt noch Herr der Lage? Das wird davon abhängen, welche Pläne Singer hat - und die sind bislang ziemlich nebulös.

Nicht immer folgen auf einen Einstieg Elliotts gleich große Umbrüche. Auch bei Bayer zeigt sich der Hedgefonds zunächst zahm. Der Investor verbreitete die Nachricht vom Einstieg nur gut eine Viertelstunde nach einer Mitteilung von Bayer, der zufolge der Aufsichtsrat des Konzerns ein Maßnahmenpaket beschlossen hat, mit dem die "aktuellen Herausforderungen des Unternehmens angegangen werden sollen". War das einfach das perfekte Timing, für das Singer und seine Experten nun mal berüchtigt sind? Oder kann man davon ausgehen, dass es Gespräche gab und das Timing sogar abgesprochen war? Wie sonst ließe sich dann der Abstand einer Viertelstunde erklären?

Paul Singer

Paul Singer ist berüchtigt für seine Einstiege bei Krisenunternehmen. Nun könnte er die Bayer-Führung unter Druck bringen. Nach dem Kauf von Monsanto hat der Konzern massiv an Wert verloren.

(Foto: Remy Steinegger/dpa)

Es ist wie so oft, wenn die Investoren zuschlagen: Über Motive und nächste Schritte darf erst einmal spekuliert werden. Da ist einerseits der Plan von Bayer, eigens einen Ausschuss im Aufsichtsrat mit der Bewältigung der Glyphosat-Probleme zu beauftragen. Außerdem soll der US-Anwalt John H. Beisner den Aufsichtsrat zu Fragen der Prozesstaktik und der Mediation beraten. Elliott begrüßte die Berufung Beisners und die Gründung des Sonderausschusses: Man sei zuversichtlich, dass die Erklärung von Bayer einen "grundlegenden Wechsel" darstelle. Die bisherige Prozessstrategie bedürfe einer "grundlegenden Überarbeitung".

Das sieht, auf den ersten Blick, nach konstruktiver Mitarbeit aus. Wäre da andererseits nicht der letzte Passus im Schreiben der Investoren. Da fordert Elliott mehr Rendite und zeigt indirekt auch schon den Weg auf: Elliott sei "der Ansicht, dass der aktuell niedrige Aktienkurs von Bayer den signifikanten Wert der einzelnen Geschäftseinheiten beziehungsweise die bestehende Wertschaffungsmöglichkeit von mehr als 30 Milliarden Euro nicht widerspiegelt".

Das kann man durchaus so lesen: Leute, wir sind jetzt an Bord, also macht euch an die Arbeit und steigert den Aktienkurs! Falls alles nichts hilft, könnte man sich auch die einzelnen Sparten genauer anschauen. Die haben auch ihren Wert - man muss den Laden nur aufspalten.

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