Süddeutsche Zeitung

Forschung:Wie Bayer sein ramponiertes Image verbessern will

Der Chemiekonzern ist hochumstritten, seit er den Glyphosat-Hersteller Monsanto übernommen hat. Jetzt zieht er Konsequenzen und will seine Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern offenlegen.

Von Marc Beise

Matthias Berninger muss eigentlich gewusst haben, worauf er sich eingelassen hat - und dennoch war der frühere Grünen-Spitzenpolitiker, einst Ziehsohn von Joschka Fischer, später Verbraucherschutz-Staatssekretär in der rot-grünen Bundesregierung und heute Leiter des Bereichs "Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit" bei den Leverkusenern, ein wenig überrascht über das ganze Monsanto-Unheil, das im Jahr 2019 über ihn hereinbrach. "Hereinbrechen" ist eigentlich nicht die richtige Beschreibung, denn die Übernahme des wegen seiner Produktions- und Kommunikationsmethoden berüchtigten US-Konzerns für 63 Milliarden Dollar, der größte Zukauf in der Bayer-Geschichte, war ja ein bewusster Akt der Führung um Konzernchef Werner Baumann gewesen. Bis heute allerdings ist das Geschäft nicht verdaut. Der Aktienkurs von Bayer hat sich halbiert, das Image ist ramponiert und der Ausgang zahlloser Gerichtsverfahren in den USA offen.

Kern des Problems: Bayer ist nun auch für Glyphosat verantwortlich, das umstrittene Pflanzenschutzmittel, das im Verdacht steht, Krebs zu verursachen - und für die Art und Weise, wie Monsanto die öffentliche Meinung zu beeinflussen pflegte. Fragwürdige Beziehungen zu Wissenschaftlern, Gefälligkeitsstudien, intransparentes Lobbying: "Für viele von uns war klar: Das wollen wir nicht", sagt Berninger im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Ein Team um Berninger machte sich an die Arbeit, ein neues Verhältnis zur Wissenschaft zu definieren: umfangreiche Informationen der Öffentlichkeit über die Zusammenarbeit, Transparenz bei der Vergabe von Forschungsaufträgen. Zur Begründung nennt Berninger den Wunsch, verantwortungsvoll zu wirtschaften, aber er argumentiert auch in eigener Sache: "Wir haben es unseren Kritikern zu leicht gemacht. Sie mussten sich gar nicht mehr mit den Studien auseinandersetzen, sondern konnten einfach auf die Fragwürdigkeit der Prozesse hinweisen."

Bayer will keine Stiftungslehrstühle mehr finanzieren

Seit Langem ist die Zusammenarbeit von beispielsweise Pharmakonzernen mit Hochschulen auch für die lobbykritische Organisation Transparency International (TI) Deutschland ein Thema. Seit 2013 prüft und kritisiert sie die Intransparenz der Verhältnisse im Rahmen ihres Projekts "Hochschulwatch". Als Bayer auf TI zuging und der NGO Zusammenarbeit bei der geplanten Transparenzoffensive anbot, war das TI-intern ein heißes Thema, berichtet Vorstandsvorsitzender Hartmut Bäumer, auch er früher ein Grünen-Politiker und dann Ministerialdirektor in der Landesregierung Baden-Württemberg. "Aber es kommt ja darauf an, ob das Ergebnis stimmt, und Bayer ist da auf gutem Weg", sagt er und berichtet von einer "guten sachbezogenen Zusammenarbeit".

Nach zwei Jahren gibt der Konzern nun den Startschuss für die Transparenzoffensive. Als erstes Unternehmen im zukünftigen Dax-40 führt er ein Transparenz-Register ein: den sogenannten "Bayer Science Collaboration Explorer". In einer Datenbank werden wissenschaftliche Kooperationen mit Universitäten, öffentlichen Forschungseinrichtungen und Einzelpersonen in Deutschland veröffentlicht; darüber wird Vorstandschef Werner Baumann an diesem Donnerstag im Rahmen eines "Bayer Transparency Day - Inside Science" erstmals öffentlich berichten.

Das Transparenz-Register startet in Deutschland und soll in den kommenden zwei Jahren schrittweise in weiteren Ländern eingeführt werden. Konkret werden pro Vertrag Kerninformationen der Zusammenarbeit veröffentlicht: Name und Sitz der Institution/Person, Art der Vereinbarung, Thema, finanzielle Größenordnung und anderes. "In Zukunft wird jeder sehen, mit wem wir partnern", sagt Berninger und verspricht volle Transparenz, "auch von Studien, deren Ergebnisse uns nicht gefallen."

Den letzten Punkt erwähnt Bäumer positiv, heikel ist für ihn die Abgrenzung zu Betriebs- und Geschäftsangelegenheiten: Die will Bayer nicht öffentlich machen. Dass Unternehmen im Wettbewerb ihr geistiges Eigentum schützen wollen, dafür hat auch der TI-Mann Verständnis, "aber das kann natürlich missbraucht werden, um Informationen zu verstecken". Auch sind nur neue Projekte betroffen, nicht die zahlreichen bereits laufenden Projekte. Das gehe nicht anders, sagt Berninger, weil Bayer hier an alte Verträge gebunden sei. Bäumer hingegen fordert eine klare Festlegung von Bayer darauf, dass Drittmittel nur an Hochschulen oder Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vergeben werden, die bereit sind, ihre Vorhaben zu veröffentlichen.

Grundsätzlich sei das ein Kulturwandel, sagt Berninger, was auch Bäumer anerkennt. "Da müssen in den Konzernen viele an der Spitze auch erst überzeugt werden", hat der Chef von Transparency International beobachtet; es ist denn wohl vielleicht auch kein Zufall, dass Bayer ursprünglich mit anderen Konzernen zusammen starten wollte, nun aber alleine an die Öffentlichkeit geht.

"Wir brauchen diese Zusammenarbeit, wenn wir als Standort Deutschland international bei den großen Themen der Zukunft, besonders im Gesundheitsbereich, noch dabei sein wollen," sagt Berninger und will deshalb für möglichst viel Akzeptanz sorgen. Gar nichts mehr hält er von den zwischenzeitlich beliebten Stiftungslehrstühlen, bei denen Unternehmen Stellen für Professoren finanzieren: "Das führt nur zu neuen Diskussionen."

Einig sind sich die beiden darin: Ob das Ganze ein Erfolg wird, hängt davon ab, wie Bayer die nun angekündigte Transparenz lebt - und ob andere nachziehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5411595
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/cat
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.