Kursverluste:Bayer droht Musterverfahren

Bayer bekräftigt Jahresziele - Glyphosat-Klagewelle noch größer

Bayer-Werk in Leverkusen: Das Gesamtvolumen der Klagen in einem möglichen Musterverfahren gegen den Chemiekonzern beläuft sich laut der Kanzlei Tilp auf mehr als eine Milliarde Euro.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Anleger haben viel Geld verloren, weil die Bayer-Aktie in Folge der Glyphosat-Klagen in den USA einbrach. Nun könnten ihre Verfahren gegen den Dax-Konzern gebündelt werden.

Von Elisabeth Dostert

Bislang schien der Ärger weit weg. In den USA hatten Tausende gegen die Bayer-Tochter Monsanto geklagt. Sie schrieben dem Einsatz des Pflanzenschutzmittel Round-up mit dem Wirkstoff Glyphosat ihre Leiden zu. Mit dem Gros der Kläger hat sich Bayer mit Vergleichen geeinigt. Auch am Landgericht Köln laufen Klagen gegen Bayer. Dabei geht es nicht direkt um das Glyphosat, aber um den Kursverlust der Bayer-Aktie, den wiederum die Klagen in den USA ausgelöst haben.

"Die klagenden Investoren werfen Bayer insbesondere vor, den Kapitalmarkt über die wirtschaftlichen Risiken getäuscht zu haben, welche die in den USA anhängigen Verbraucherklagen im Zusammenhang mit Glyphosat und dem Unkrautvernichtungsmittel Round-up für Bayer infolge der Monsanto-Übernahme mit sich brachten", sagt Axel Wegner von der Tübinger Kanzlei Tilp: "Im Zeitraum zwischen der Verkündung des ersten glyphosat-bezogenen Urteils im Fall von Dewayne Johnson am 10. August 2018 und dem zweiten Urteil im Fall von Edwin Hardeman am 28. März 2019 sank der Kurs der Bayer-Aktie von über 93 Euro auf circa 56 Euro und damit um knapp 40 Prozent." Die Schäden der Anleger durch diese "immensen Kursverluste" seien Gegenstand der jetzigen Klagen, so Wegner. Tilp vertrete zahlreiche Kläger - bislang jeden einzeln.

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Das könnte sich nun ändern. Die Kanzlei hat beim Landgericht Köln einen Antrag auf Einleitung eines Musterverfahrens gestellt. Das Gericht habe nun die Veröffentlichung des Antrags im Bundesanzeiger beschlossen. "Dass es damit zu einem Musterverfahren gegen Bayer kommt, ist noch nicht beschlossene Sache", sagt Tilp-Geschäftsführer Marvin Kewe der SZ. Dazu brauche es noch weitere Verfahrensschritte. "Aber es wird wahrscheinlicher", so Kewe. Es könne jedoch noch einige Monate dauern, bis es soweit ist. Das Gesamtvolumen der Klagen, die schon anhängig sind, beziehungsweise vor dem möglichen Eintritt der Verjährung zum 31. Dezember 2021 noch anhängig gemacht würden, betrage weit mehr als eine Milliarde Euro.

Bayer halte die Klagen "wegen angeblich fehlerhafter Kapitalmarkt-Kommunikation im Zusammenhang mit der Monsanto-Akquisition für unbegründet", heißt es in einer Stellungnahme am Mittwoch. Bayer habe die Gesetze eingehalten und sei seinen Veröffentlichungspflichten nachgekommen. "Zudem sind wir überzeugt, dass wir eine angemessene Due Diligence in Bezug auf die Akquisition von Monsanto durchgeführt haben." Untersuchungen unabhängiger Experten hätten bestätigt, dass der Bayer-Vorstand bei der Akquisition "im Einklang mit seinen Pflichten gehandelt hat. Entsprechend werden wir uns rechtlich verteidigen", heißt es weiter.

Die Aktie von Bayer hat sich bis heute nicht erholt

"Dass die Auswirkungen der Übernahme eine Katastrophe für die Anleger waren und sind, können sie jeden Tag in ihrem Depot sehen", sagt Marc Tüngler, Geschäftsführer des Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Aktie habe sich bis heute nicht erholt. Tüngler hat allerdings Zweifel, ob der Kursverfall justiziabel ist. "Juristisch ist das für die Anleger wahrlich kein trivialer Case." Alles entscheidend für den weiteren Fortgang sei, wie der Supreme Court in den USA entscheide.

Bayer hatte im Sommer beim obersten Gericht der USA im Fall Hardeman einen Berufungsantrag gestellt. Das Gericht hat den Antrag noch nicht angenommen, aber vor wenigen Tagen die US-Regierung um eine Stellungnahme gebeten. Bayer wertete das als "ermutigendes Signal", dass das Gericht einen grundsätzlichen Klärungsbedarf sehe. Die Regierung muss sich nun ein Bild machen, Elizabeth Prelogar wird nun bei Bundesbehörden Stellungnahmen einholen. Prelogar ist Solicitor General, als oberster Anwalt vertritt sie die US-Regierung beim Supreme Court. Eine wesentliche Frage wird sein, ob das Recht des Bundes das der Bundesstaaten schlägt. Die US-Umweltbehörde EPA, eine Bundesbehörde, schätzt Glyphosat als sicher ein, ein Warnhinweis auf den Verpackungen von Glyphosat-Produkten sei daher irreführend. Das sahen regionale Gerichte anders und hatten unter anderem damit ihre Urteile begründet. Hardeman waren zunächst gut 80 Millionen Dollar zugesprochen worden, später wurde die Summe auf 25 Millionen Dollar gekürzt.

Ob Bayer jemals wieder auf einen Kurs von 100 Euro kommen wird? Bayer habe durch die Übernahme von Monsanto viele Anleger verloren, so Marc Tüngler. "Der Konzern ist für viele Investoren nicht mehr investierbar", sagt der Anlegerschützer. Jedenfalls nicht für solche, die auf Erfüllung von ESG-Kriterien achten, also die Einhaltung ökologischer, sozialer und gesellschaftlicher Standards.

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