Süddeutsche Zeitung

Bayer:Übernahme und Nebenwirkungen

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Der Kauf von Monsanto macht Bayer immer noch Ärger. Der Pharma- und Agrarkonzern schrieb 2020 mehr als zehn Milliarden Euro Verlust. Eine Dividende soll es trotzdem geben.

Von Elisabeth Dostert, München

Knapp fünf Jahre ist es her, dass Bayer sein erstes Angebot für den US-Konzern Monsanto machte. Im Sommer 2018 schloss Vorstandschef Werner Baumann die 63 Milliarden Dollar teure Übernahme ab - zumindest im gesellschaftsrechtlichen Sinne. Das Nachspiel ist noch lange nicht zu Ende. Sonderaufwendungen, die vor allem dem Agrargeschäft zuzuschreiben sind, von 23,3 Milliarden Euro sorgten im Geschäftsjahr 2020 für einen Konzernverlust 10,5 Milliarden Euro. 2019 hatte Bayer noch knapp 4,1 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Der Umsatz sank 2020 um knapp fünf Prozent auf 41,4 Milliarden Euro.

Trotz der Verluste soll es eine Dividende geben: zwei Euro, 80 Cent weniger pro Aktie. Baumann begründete dies am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit der "guten operativen Performance". Bayer wolle auch ein "verlässlicher Partner des Kapitalmarkts" sein und das Interesse der Eigentümer im Blick behalten. An der Börse mussten die Aktionäre, zumindest wenn sie das ganze Jahr das Papier behalten haben, kräftige Verluste einstecken. Zum Ende des Jahres 2020 lag die Marktkapitalisierung laut Geschäftsbericht bei 47,3 Milliarden Euro, das waren gut 24 Milliarden Euro weniger als Ende 2019. In den vergangenen Wochen legte der Aktienkurs zu, am Donnerstag verlor er der Spitze mehr als vier Prozent.

Das Gros der Sondereinflüsse entfiel 2020 auf Rückstellungen für die "Rechtskomplexe" Glyphosat, Dicamba, PCB - Ärger, den sich Bayer mit der Übernahme von Monsanto eingehandelt hat - und Essure, die Verhütungsspirale gehörte zum Sortiment des US-Herstellers Coneptus, den Bayer 2013 übernommen hatte. Laut Geschäftsbericht belaufen sich die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten allein auf 9,3 Milliarden Euro. Allein in Sachen Glyphosat wurden der Tochter Monsanto bis zum 3. Februar 2021 etwa 61 800 Klagen in den USA zugestellt. Zwar hatte Bayer im Sommer eine Grundsatzvereinbarung getroffen, um die meisten der etwa 125 000 damals bekannten gerichtlich eingereichten und nicht eingereichten Ansprüche beizulegen. Von den "Bestandsklagen", wie sie Baumann nennt, seien 90 000 Fälle beigelegt. Eine Einigung über mögliche zukünftige Rechtsstreitigkeiten steht noch aus. Einen ersten Vorschlag hatte der US-Richter Vince Chhabria abgelehnt. Seit Anfang Februar liegt ihm ein neuer vor, in den kommenden Wochen finden Anhörungen statt.

Mit Medikamenten macht der Konzern Gewinne

Baumann wollte keine Prognose abgeben, bis wann die juristischen Auseinandersetzungen beigelegt sein könnten. "Wir sind fertig, wenn wir fertig sind", sagt er: "Wir kontrollieren die Zeiten und Fristen nicht." Das hänge auch von Anwälten und Gerichten ab. Sich Fristen zu unterwerfen, wäre "ungesund für die Qualität der Ergebnisse, die wir zu erzielen gedenken", sagt Baumann. Er rechnet damit, dass Chhabria Ende März/Anfang April den neuen Vorschlag kommentiert.

Während das Agrargeschäft hohe Verluste schrieb, machte der Konzern mit verschreibungspflichtigen und rezeptfreien Medikamenten operativ Gewinn. Während allerdings die Division Pharmaceuticals darunter litt, dass Eingriffe verschoben wurden, legte Consumer Health zu. Die Menschen hätten sich in der Pandemie mehr um die eigene Gesundheit und die von Familie und Freunden gekümmert. So legten die Erlöse mit Nahrungsergänzungsmitteln um knapp 23 Prozent zu. Allein in der Division Crop Science summieren sich die Sondereinflüsse auf gut 20 Milliarden Euro und führten zu einem operativen Verlust von 18,6 Milliarden Euro. Neben den Rückstellungen für Rechtsfälle hatte Bayer schon im Herbst 2020 Wertberichtigungen auf Vermögenswerte von gut neun Milliarden Euro vornehmen müssen.

Die Zahl der Beschäftigten sank zum Jahresende um 4,1 Prozent auf gut 99 500. Im Herbst 2018 hatte Bayer den Abbau von 12 000 Stellen angekündigt und vor ein paar Monaten darüber hinaus gehende Streichungen nicht ausgeschlossen. Details dazu, gab es am Donnerstag nicht. Kurzarbeit habe der Konzern im Jahr 2020 nicht angemeldet, obwohl einige Bereiche, wie etwa die Kantinen, "praktisch keine Auslastung hatten". Obwohl Bayer Kurzarbeitergeld rechtlich hätte in Anspruch nehmen können, habe man bewusst darauf verzichtet, so Baumann. Er begründete dies mit "der Resilienz des Geschäfts und einer gewissen Verantwortung für Gemeinschaft".

Erste Impfstoffdosen vielleicht schon Ende des Jahres

Für das Geschäftsjahr 2021 erwartet Bayer einen Umsatz von "etwa 42 bis 43 Milliarden Euro". Vor Sondereinflüssen, Steuern, Zinsen und Abschreibungen peilt der Konzern ein Ergebnis von 11,2 bis 11,5 Milliarden Euro an nach 11,5 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2020. Weitere Werberichtungen schließt Finanzchef Wolfang Nickl nicht aus, aber solche Risiken gebe es immer. "Wir schauen uns das jedes Jahr an", sagte er. Im Moment habe er "keine Bedenken". An erster Stelle stehe 2021 die Bekämpfung von Covid-19. "Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Sie wird die Menschen und Märkte weltweit weiter beeinflussen", erwartet Nickl. So sieht das auch Baumann.

Im Kampf gegen den Pandemie will sich Bayer auch an der Impfstoffproduktion beteiligen. Anfang Januar kündigte der Konzern ein Bündnis mit dem Tübinger Unternehmen Curevac an, dessen auf mRNA basierender Impfstoff noch nicht zugelassen ist. Mitte Februar hatten Baumann und Pharmachef Stefan Oelrich einen Termin am Standort Wuppertal, eine der wenigen Dienstreisen in den vergangenen Monaten. Ein Foto in einer Regionalzeitung zeigt Baumann, Oelrich, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und Düsseldorfs Regierungspräsidentin Brigitta Radermacher in weißen Kitteln, Mundschutz und Helmen aus Kunststoff, die eher nach Baustelle als Labor aussehen.

Bislang hat Bayer keine Impfstoffe hergestellt. Auf die Frage, welche Produktionsschritte Bayer für Curevac erledigen wolle, sagte Baumann am Donnerstag: "Wir wollen von Anfang bis Ende mit einigen Vorprodukten, die wir brauchen, den Impfstoff herstellen." Bayer werde dafür intern "massiv priorisieren müssen". Reinräume müssten für die Produktion des Impfstoffes freigeräumt und neu konditioniert werden. Man müsse die entsprechenden Gerätschaften anschaffen. Wenn alles gut gehe, könnten schon zum Jahresende die ersten Lieferungen möglich sein.

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