Bayer:In Sachen Glyphosat

Der deutsche Chemie- und Pharmakonzern Bayer will Kanzleien in den USA dazu bewegen, auf Werbung zu verzichten. Es soll eine Art Stillhalteabkommen werden. Juristen sehen das Unterfangen kritisch.

In den Verhandlungen über eine Beilegung Zehntausender Glyphosat-Klagen in den USA strebt der Chemie- und Pharmakonzern Bayer eine Art Stillhalteabkommen mit den Rechtsanwälten an, die Kläger in den USA vertreten. Die Kanzleien sollen auf Werbung verzichten, um noch mehr Kunden zu gewinnen. Bayer macht die Kampagnen dafür verantwortlich, dass sich die Zahl der Glyphosat-Kläger in den USA innerhalb von nur drei Monaten auf 42 700 mehr als verdoppelt hatte. "Die meisten Produkthaftungsklagen werden von Personen eingereicht, die im Internet gesucht oder einen Werbespot im Fernsehen gesehen haben", sagt der Rechtswissenschaftler David Noll von der Rutgers Law School. Ein Werbeverzicht "könnte zu einer drastischen Reduzierung der Klagen führen, bis hin zu dem Punkt, an dem die Bayer-Bilanz davon nicht mehr belastet wird." Denn an eine Vergleichsvereinbarung wäre die Mehrheit der mit Glyphosat befassten Kanzleien gebunden.

Perry Weitz von Weitz & Luxenberg, eine der führenden Kanzleien in den Glyphosat-Verfahren, ist skeptisch: "Ein Unternehmen kann einen Anwalt nicht zu einer Vereinbarung auffordern, die seine künftige Tätigkeit einschränkt", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Bislang habe es noch keine "ernsthaften Gespräche" mit Bayer über den Umgang mit künftigen Fällen gegeben. Michael Miller von The Miller Firm sagte nur, dass "es möglich ist, das Risiko künftiger Forderungen zu managen, wenn es richtig gemacht wird." Näher wollte er sich nicht äußern. Weitere wichtige Kanzleien lehnten ebenso wie Bayer eine Stellungnahme ab.

Nach Ansicht des Rechtsexperten Noll bewegt man sich mit einer solchen Vereinbarung an den Grenzen der Kartell- und Anwaltsvorschriften, da sie auf Kosten möglicher künftiger Kläger, die ihre Krebserkrankung auf Glyphosat zurückführen, getroffen wird. "Das ist wirklich am Rande dessen, was sie als Anwalt ethisch einwandfrei tun können." Doch es gibt schon Beispiele: Im Rahmen des Vergleichs von 2013 im Streit um das Osteoporosemittel Fosamax des US-Konzerns Merck & Co versicherten die Anwälte, keine weiteren Fälle geltend zu machen. Fosamax wurde vorgeworfen, Kieferknochen zu schädigen.

Normalerweise führen Vergleiche bei Produkthaftungsklagen dazu, dass die Produkte mit einem Warnhinweis versehen oder ganz vom Markt genommen werden. Beides ist für den deutschen Konzern keine Option: Die glyphosathaltigen Roundup-Produkte, die sich das Unternehmen für Milliarden durch die Übernahme von Monsanto eingekauft hat, sollen auf dem Markt bleiben. Sie spielen eine zu wichtige Rolle in der Produktpalette. Zuletzt hatten sich die Anzeichen auf einen Vergleich verdichtet, der Bayer Schätzungen von Analysten zufolge zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar kosten könnte.

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