Bayer:13 400 Glyphosat-Klagen

Bayer AG Earnings News Conference

Sitz der Bayer-Konzernzentrale in Leverkusen.

(Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)

Der Pharma- und Agro-Konzern Bayer präsentiert starke Zahlen - und hat trotzdem jede Menge Ärger.

Von Elisabeth Dostert, Bonn

Die Zahl der Klagen in den USA gegen die Bayer-Tochter Monsanto wegen des Herbizids Glyphosat ist per 11. April auf etwa 13 400 gestiegen, das geht aus dem Bericht für das erste Quartal 2019 hervor. Bis Ende Januar waren es nach Angaben des Konzerns etwa 11 200 Klagen gewesen.

In zwei erstinstanzlichen Verfahren war der Konzern unterlegen. Er will sich aber zur Wehr setzen. Am Mittwochabend hatte Bayer mitgeteilt, gegen das Jury-Urteil im Fall Dewayne Johnson bei einem Gericht in Kalifornien den "ersten Berufungsschriftsatz" eingereicht zu haben. Der Konzern verweist erneut auf die positiven Einschätzungen internationaler Regulierungsbehörden und diesen zugrunde liegenden wissenschaftlichen Nachweise, wonach Glyphosat nicht krebserregend sei. "Bayer steht hinter diesen Produkten und wird sie weiterhin entschieden verteidigen", heißt es am Ende der am Mittwochabend verbreiteten Mitteilung.

Dewayne Johnson macht Glyphosat für seine Krebserkrankung verantwortlich. Als Hausmeister hatte er jahrelang die Grünflächen eines Schulbezirks in Kalifornien mit dem Glyphosat-basierten Mittel Roundup behandelt. Im August 2018 hatte eine Jury ihm 289 Millionen Dollar zugesprochen. Im Oktober kürzte die Richterin die Strafe auf 78 Millionen Dollar. Den Antrag, das Urteil im Kern zu revidieren und das Verfahren neu aufzurollen, lehnte sie aber ab. Bayer will der Mitteilung zufolge in der Berufung erreichen, dass das Urteil aufgehoben und zugunsten von Monsanto abgewiesen oder zumindest ein neues Verfahren angeordnet wird.

Bei einem Bundesgericht in Kalifornien sind mehrere Hundert Klagen in einer Multi District Litigation (MDL) gebündelt. Zunächst sollen für alle Verfahren relevante Fragen geklärt werden. In einem Musterfall hatte die Jury im März dem Kläger Edwin Hardeman gut 80 Millionen Dollar zugesprochen. Mitte April hatte der zuständige Richter Vince Chhabria die Kläger und Bayer aufgefordert, sich einen Vermittler zu suchen und sich gütlich zu einigen.

Andere Verfahren laufen indes weiter.

Operativ ist der Konzern nach eigener Einschätzung "stark" in das Jahr 2019 gestartet. Die Tochter Monsanto, die Bayer vergangenes Jahr für 63 Milliarden Dollar übernommen hat, bescherte dem Dax-Konzern im ersten Quartal 2019 vor Sondereinflüssen deutliche Zuwächse: So legte der Umsatz um gut 42 Prozent auf 13 Milliarden Euro zu und das operative Ergebnis (Ebit) um knapp 26 Prozent auf drei Milliarden Euro. Die Integration von Monsanto und die geplante Restrukturierung des Konzerns belasten das Ergebnis allerdings schwer. Unter Berücksichtigung der Sondereinflüsse brach das operative Ergebnis um fast 16 Prozent auf knapp zwei Milliarden Euro ein und der Konzerngewinn um knapp 37 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro.

Einige Investoren wollen auf der Hauptversammlung Konzernchef Werner Baumann nicht entlasten

An diesem Freitag findet in Bonn die Hauptversammlung von Bayer statt. Viele Aktionäre hadern mit dem Kursverfall der Aktie. Einige Investoren und Aktionärsvertreter haben bereits angekündigt, Vorstandschef Werner Baumann für das Geschäftsjahr 2018 nicht entlasten zu wollen.

Einer von ihnen ist Christian Strenger. Für ihn war 2018 ein "Desasterjahr". Der Vermögensverwalter und langjährige Chef der Investmentfondsgesellschaft DWS macht Baumann für einige "kapitale Fehlentwicklungen" verantwortlich. So habe Bayer das Ausmaß der kartellbedingten Verkäufe von "attraktiven Crop-Science-Aktivitäten" an BASF fehlerhaft prognostiziert. Damit verringere sich das nachhaltige Synergiepotenzial "mal eben" um ein Fünftel oder 300 Millionen Euro.

Insbesondere aber habe Bayer die Rechtsrisiken aus den Glyphosat-Klagen falsch eingeschätzt. Erst im August 2018, moniert Strenger, habe Bayer eingestanden, dass sich das Unternehmen aufgrund des vom US-Justizministerium auferlegten Verbots kein genaues Bild von den Prozessrisiken habe machen können. Die großen Ziele, die Bayer-Vorstandschef Baumann bei der Vorstellung des Deals im Mai 2016 genannt hatte, seien bisher "nahezu völlig verfehlt" worden.

Strenger war von Anfang an ein scharfer Kritiker der Übernahme. Anders als die Aktionäre von Monsanto, durften die Anteilseigner von Bayer nicht über das 63 Milliarden Dollar teure Geschäft abstimmen. Dafür habe, so argumentiert der Konzern, keine gesetzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung bestanden. Die Frage sei "gründlich geprüft" worden, und Bayer habe "externen Rechtsrat" eingeholt, "die Antwort war eindeutig." Das sieht Strenger anders. Die Einschätzung von Bayer sei "umstritten und juristisch nicht endgültig ausgefochten". Im Corporate Governance Kodex gebe es den Hinweis, dass bei wesentlichen Übernahmen die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen sei. Strenger muss es wissen, er ist Gründungsmitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance und lehrt an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Im Falle von Bayer wird das wohl nicht mehr geklärt werden, es müsste jemand klagen. "Was würde es bringen?", so Strenger: "Die Übernahme kann man nicht mehr rückgängig machen." Bayer habe die Aktionäre nicht abstimmen lassen wollen, da man befürchtete, dass Anfechtungsklagen gegen die HV-Beschlüsse die Transaktion um Jahre hätten verzögern können. Der von ihm vorgeschlagene Weg über eine ehedem erforderliche Kapitalerhöhung hätte dieses Risiko aber weitgehend eliminiert, so Strenger. Dennoch blieb Bayer bei der "Nichtbefassung der Aktionäre".

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