Süddeutsche Zeitung

Bayer:Die Monsanto-Übernahme ist ein riesengroßes Risiko

Bayer wird sich letztendlich hoch verschulden müssen. Das schränkt den Konzern enorm ein. Von den Unsicherheiten rund um Glyphosat ganz zu schweigen.

Kommentar von Elisabeth Dostert

Geld sticht Argumente. Die Logik hinter dem fetten Angebot, das Bayer den Aktionären von Monsanto unterbreitet, ist einfach. 122 Dollar in bar bieten die Deutschen je Aktie. Insgesamt 62 Milliarden Dollar ist es ihnen wert, der weltweit größte Anbieter von Saatgut und Chemikalien für die Landwirtschaft zu werden.

Für die Monsanto-Aktionäre ist das mit Blick auf die Kursentwicklung in den vergangenen Monaten ein unwiderstehliches Angebot. 122 Dollar je Aktie, es ist mehr als ein Jahr her, dass die Papiere von Monsanto so viel wert waren. In den vergangenen Monaten ging es mit Schwankungen abwärts. Am 9. Mai kostete die Aktie rund 89 Dollar. Kurz danach wurden die Spekulationen um eine Übernahme immer lauter, und der Aktienkurs von Monsanto stieg.

Bayer wird sich hoch verschulden müssen

Für die Investoren und auch die Mitarbeiter von Bayer ist es ein Angebot mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen. Die Übernahme soll zu einem Viertel über Eigenkapital finanziert werden, der überwiegende Teil davon soll aus einer Kapitalerhöhung kommen.

Um den kompletten Preis zu zahlen, muss sich Bayer hoch verschulden, damit schränkt der Konzern seine Handlungsfreiheit ein. Schon jetzt hat die Ratingagentur Standard & Poor's angedroht, die Kreditwürdigkeit herabzustufen. Das sind keine guten Bedingungen für einen Konzern, der sich am Kapitalmarkt Geld beschaffen muss. Am Ende bleiben womöglich nur drastische Sparrunden oder der Verkauf von Sparten oder Beteiligungen.

Bayer wirkt wie ein Getriebener, der im Übernahmewahn der Agrochemieindustrie schnell noch zugreifen will, ehe alles verteilt ist oder er selbst übernommen wird. Dumm für Bayer, dass das zuständige EU-Gremium am Donnerstag die Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat vertagt hat - an dem Tag, an dem der deutsche Konzern zum ersten Mal öffentlich sein Interesse an Monsanto aussprach.

Ohne Glyphosat müsste der Wert von Monsanto neu berechnet werden

Der Wirkstoff Glyphosat, die Herbizide, die ihn enthalten, und gegen ihn resistentes Saatgut sind die wichtigsten Produkte von Monsanto. Die Bewertung des Konzerns hängt davon ab. Sollte die Zulassung von Glyphosat in der EU nicht verlängert werden, muss der Wert von Monsanto neu berechnet werden. Warten konnte und wollte Bayer nicht mehr, schon um sich nicht Verstößen gegen die Publizitätspflichten auszusetzen.

Sollte die Übernahme gelingen, was noch lange nicht ausgemacht ist, setzt sich Bayer erheblichen Klagerisiken aus. Bislang gibt es widersprüchliche Einschätzungen über die Toxizität von Glyphosat für den Menschen. Ein gemeinsames Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Welternährungsorganisation (FAO) sah zuletzt bei gebräuchlichen Mengen kein Krebsrisiko für Menschen durch Glyphosat-Rückstände. Dagegen stufte die WHO-Behörde IARC den Wirkstoff zuvor als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Sollte sich erweisen, dass der Wirkstoff doch Krebs auslöst, muss Bayer mit Sammelklagen rechnen. Mal abgesehen vom Imageschaden, kann das teuer werden.

Diese Erfahrung musste Bayer in den Vereinigten Staaten schon ein paar Mal machen. Todesfälle im Zusammenhang mit dem Cholesterinsenker Lipobay lösten eine Kette von Sammelklagen aus. Am Ende zahlte Bayer den Klägern 1,2 Milliarden Dollar. Noch teurer kommen den Konzern die Klagen von mehreren Tausend Frauen, die Gesundheitsschäden nach der Einnahme einer Antibaby-Pille von Bayer geltend machen. Bis Mitte April 2016 vereinbarte der Konzern mit etwa 10 400 Frauen Vergleiche über 2,06 Milliarden Dollar. Und noch sind nicht alle Verfahren beendet.

Die Investoren haben das Urteil, wie risikoreich das Angebot von Bayer für Monsanto ist, bereits gefällt. Die Aktie hat in den vergangenen Tagen an Wert verloren. Das Management in Leverkusen aber hat noch nicht begriffen.

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SZ vom 24.05.2016/vit
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