Ein bisschen ist es wie in der Musik: Die Variation wird immer verspielter, immer fantasievoller - aber das Motiv, es klingt doch immer durch. So ähnlich läuft es vor dem Bundesgerichtshof (BGH) seit Jahrzehnten, wenn es um Bankgebühren geht. Jedes Mal sind die Klauseln anders, das Ziel aber bleibt: Eine Bank möchte mit kleinen Beträgen großes Geld machen.
An diesem Dienstag nun ging es um das Jahresentgelt, das die Bausparkasse BHW während der sogenannten Ansparphase erhebt. Zwölf Euro pro Jahr werden fällig, bis der Vertrag endlich angespart ist und zuteilungsreif wird. Viele andere Bausparkassen handhaben das ähnlich, weshalb der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) dagegen geklagt hat, um die Sache grundsätzlich klären zu lassen. Nun hat der BGH entschieden: Die Klausel ist nichtig, die Sparer dürfen nicht länger zur Kasse gebeten werden (Az. XI ZR 551/21).
"Die Bausparer werden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt", sagte der Vorsitzende Richter Christian Grüneberg bei der Urteilsverkündung. Zudem sei das Entgelt mit "wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar". Denn letztlich würden mit der Zwölf-Euro-Klausel die Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, zu deren Erbringung die Bausparkasse ohnehin gesetzlich verpflichtet sei. Damit bestätigte der BGH ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom vergangenen Jahr. Andere Gerichte hatten ebenfalls in diesem Sinne entschieden - aber eine höchstrichterliche Klärung stand noch aus.
Die Richter knüpfen an ein Urteil von 2017 an
Der BGH knüpft nun an ein Urteil von 2017 an. Schon damals hatte das Gericht eine jährliche Kontogebühr einer Bausparkasse in Höhe von knapp zehn Euro gekippt. Allerdings bezog sie sich auf die Darlehensphase, also die Zeit nach der Zuteilung des Vertrags. Die BHW sah deshalb Spielraum für ein neuerliches Entgelt, das sich lediglich auf die Ansparphase vor der Zuteilung beziehen sollte - und begründete dies mit dem großen Aufwand, den sie gerade in diesem Zeitabschnitt betreiben müsse. Die Bausparkasse müsse erstens das gesamte kollektive Vermögen steuern, im Dienste der Stabilität, erläuterte deren Anwalt Thomas Winter. Und zweitens gelte es, den individuellen Vertrag laufend zu bewerten. "Die Leistung der Bausparkasse erschöpft sich ja nicht in der Mitteilung, dass die Zuteilungsreife erreicht ist."
Den BGH überzeugte das nicht. All dies seien lediglich "notwendige Vorleistungen" für das, was den Bausparern qua Vertrag zustehe: ein zinsgünstiges Darlehen. Zudem machte der Vorsitzende Richter deutlich, dass die Kundinnen und Kunden die Bausparkasse für ihre Bemühungen bereits entlohnt hätten. Denn während der Ansparphase werden die Einlagen vergleichsweise niedrig verzinst; das ist ein Vorteil für die Bausparkasse, die Nutzen aus den Geldern ziehen kann. Zudem können Bausparkassen eine Abschlussgebühr verlangen. Peter Wassermann, Anwalt der Verbraucherschützer, hatte sie in der Verhandlung mit 1,6 Prozent beziffert. Kurzum: Müssten die Sparer obendrauf noch ein Jahresentgelt überweisen, dann ließen sich die Bausparkassen ihnen Aufwand ein zweites Mal bezahlen.
Das Urteil dürfte nach Angaben der Verbraucherschützer weitreichende Konsequenzen haben: Bundesweit gibt es 18 Bausparkasse und knapp 24 Millionen Verträge. "Nach unserem Kenntnisstand erheben viele Bausparkassen ein solches oder ähnliches Entgelt in der Sparphase eines Bausparvertrages", sagte VZBV-Referent David Bode der SZ. Zwar wies er darauf hin, dass es im BGH-Fall nur um eine ganz konkrete Klausel geht; was zulässig ist und was nicht, hängt stets von der exakten Formulierung ab. Dennoch werde das Urteil, prognostizierte Bode, auch für andere Kassen und deren Kundschaft große Bedeutung haben. Die Verbraucherschützer erwarten jedenfalls "eine Befolgung dieser Rechtsprechung".