Baumwolle: Falsch deklariert:Der Bio-Betrug

Von wegen Biobaumwolle: H&M, C&A und Tchibo haben womöglich Produkte aus gentechnisch veränderter Baumwolle verkauft, ohne dies zu wissen.

Daniela Kuhr und Stefan Weber

Wer "Bio" kauft, will etwas Gutes tun. Er will die Umwelt schonen und ist deshalb bereit, mehr Geld zu zahlen als für konventionelle Ware. Das gilt aber nur, wenn er der Bezeichnung "Bio" auch tatsächlich vertrauen kann. Genau dieses Vertrauen ist in Gefahr. Unternehmen wie H&M, C&A und Tchibo sind angeblich Opfer eines Betrugs mit Bio-Baumwolle aus Indien geworden.

Hennes und Mauritz, AP

H&M will sicherstellen, "dass sich ein solcher Fehler nicht wiederholt".

(Foto: Foto: AP)

Aigner pocht auf schnelle Aufklärung

Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland war ihnen Baumwolle als Bioware verkauft worden, obwohl sie gentechnisch veränderte Bestandteile enthielt. Zwar nur in geringen Mengen, doch schon bei kleinsten Spuren dürfen Kleidungsstücke nicht mehr damit beworben werden, dass sie aus "Bio-Baumwolle" sind. Den Betrug aufgedeckt hatten indische Behörden bereits im April 2009. Bei H&M bedauert man den Vorfall. "Wir können nicht ausschließen, dass falsch zertifizierte Baumwolle in einigen unserer Kleidungsstücke verarbeitet wurde", räumte eine Sprecherin ein. Es werde aber alles getan, um so etwas in Zukunft zu verhindern. Tchibo teilte mit, die Vorwürfe träfen nicht zu, C&A prüft noch.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) reagierte empört. "Der Vorgang hätte unverzüglich öffentlich gemacht werden müssen", sagte Aigner am Freitag zur Süddeutschen Zeitung. "Ich erwarte, dass Produzenten und Lieferanten den Fall schnell und lückenlos aufklären. Die Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen nicht getäuscht werden." Es müsse geklärt werden, um welches Siegel es sich handele und wie es zertifiziert worden sei.

Für die Agrarexpertin der Grünen, Ulrike Höfken, ist konventionelle Baumwolle "eine der ökologisch problematischsten Kulturen der Welt". Sie werde sehr stark gespritzt und koste jährlich viele Menschen das Leben. Deshalb sei die Nachfrage nach Bio-Baumwolle in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Bio-Baumwolle wird ohne chemisch-synthetische Dünger und ohne Pflanzenschutzmittel angebaut. Gentechnisch verändertes Saatgut darf nicht eingesetzt werden. Mit 0,55 Prozent ist der Anteil der Bio-Baumwolle an der gesamten Baumwollproduktion bislang allerdings verschwindend gering. "Die Nachfrage ist größer als das Angebot, das lädt zum Betrug geradezu ein", sagt Stefanie Ober, Referentin für Agrotechnik beim Naturschutzbund Nabu. "Es ist schon länger bekannt, dass auf dem Weltmarkt mehr Bio-Baumwolle angeboten als auf den Feldern überhaupt angebaut wird."

Besser selbst kontrollieren

Monika Büning vom Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht die Verantwortung in erster Linie bei den Unternehmen, die die Textilien verkaufen. "Sie dürfen sich nicht einfach auf die Zertifizierer verlassen, sondern müssen die Lieferketten selbst kontrollieren." Nur so ließe sich auch klären, wo die Verunreinigung stattgefunden habe, sagt Lothar Kruse, der das Labor Impetus in Bremerhaven leitet und schon für viele Unternehmen nach Spuren von gentechnisch verändertem Material gesucht hat. "Für eine Kontamination genügt ja schon, dass in einem Lager ein Bauer seinen Karren mit konventioneller Baumwolle direkt neben dem Karren eines anderen mit Bio-Baumwolle ausschüttet." Gefahren gingen von solch geringen Verunreinigungen nicht aus, stellt er klar. "Aber es ist eben nicht mehr 'Bio'."

Verbraucherschützerin Büning rät, auf renommierte Siegel wie GOTS (Global Organic Textile Standard) zu achten. Das Bundesverbraucherschutzministerium betont, dass das deutsche Bio-Siegel von dem Fall nicht betroffen ist. Denn: Bei Geweben, Stoffen und auch Baumwolle wird laut Rechtsvorschrift kein deutsches Bio-Siegel vergeben, da diese Produkte nicht in der EG-Ökoverordnung gelistet sind. Grünen-Agrarexpertin Höfken sieht die Politik in der Pflicht: "Wir brauchen auf EU-Ebene nicht nur Regeln für Gentechnik in Lebensmitteln, sondern auch für Gentechnik in anderen Rohstoffen."

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