Süddeutsche Zeitung

Baukredite:Darum ist es so schwer, einen Immobilienkredit zu bekommen

  • Eine neue EU-Richtlinie soll eigentlich verhindern, dass sich Menschen bei der Immobilienfinanzierung übernehmen.
  • Doch inzwischen sorgt sie dafür, dass die Banken auch Interessenten mit sicherem Einkommen keinen Kredit mehr geben dürfen.

Von Harald Freiberger und Benedikt Müller

Vor gut einem Jahr schien die Finanzierung für Thomas Bergner schon perfekt. Der IT-Fachmann hatte ein Haus in der Nähe von Ingolstadt gefunden; seine Frau erwartete das zweite Kind. Er sprach bei mehreren Banken vor. Alle signalisierten ihm, dass es klappen würde. Von einem Institut hatte er die feste Zusage für einen Immobilienkredit. Doch dann platzte die Baugenehmigung, es wurde nichts daraus.

Bergner suchte weiter. Vor zwei Monaten fand er eine Doppelhaushälfte. Doch bei den Banken war nun alles anders. "Die hielten mich hin, sagten, sie müssten das noch durchrechnen, verlangten neue Sicherheiten, obwohl sich die Voraussetzungen bei mir nicht geändert haben", sagt der 31-Jährige, der in Wirklichkeit anders heißt.

Er braucht einen Kredit über 380 000 Euro, bringt 40 000 Euro Eigenkapital und eine Lebensversicherung über 160 000 Euro mit. Sein Jahreseinkommen beträgt 60 000 Euro, dazu kommen 11 000 Euro Eltern- und Kindergeld. Ein Jahr zuvor hat die Bank ausgerechnet, er könne monatlich 1200 Euro Zins und Tilgung leisten. Doch jetzt soll das nicht mehr reichen, um den Kredit zu bekommen. Bergner fragt nach. Ein Sachbearbeiter verrät ihm, man habe die Hürden für Immobilienkredite deutlich angehoben. "Meine Sicherheiten reichten auf einmal nicht mehr", sagt er. Die Bank verlangt nun, dass er 2200 Euro im Monat für Zins und Tilgung aufbringen kann.

"Das Positive wird nicht mehr eingerechnet, alles Negative aber schon."

Hintergrund ist eine neue EU-Richtlinie zu Immobilienkrediten, die zum 21. März in deutsches Recht umgesetzt wurde. Sie soll Bauherren und Käufer vor Überschuldung schützen und helfen, windige Finanzierungen zu vermeiden. Acht Wochen nach der Einführung zeigen sich die ersten Folgen. Die Deutsche Kreditwirtschaft, in der Sparkassen, private und genossenschaftliche Banken zusammengeschlossen sind, bereitet nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Stellungnahme vor, in der sie Alarm schlägt. Tenor: Die Richtlinie werde die Vergabe von Immobilienkrediten in vielen Fällen gefährden.

Nach der neuen Regelung darf eine Bank einen Immobilienkredit nur gewähren, wenn er "innerhalb der statistischen Lebenserwartung des Kreditnehmers vollständig zurückgeführt werden kann". Die Bank darf nicht "hauptsächlich" darauf abstellen, dass die Immobilie voraussichtlich an Wert gewinnt und den Wert des Kredits eines Tages übersteigt. Sie muss stärker auf Einkommen und Vermögen der Schuldner achten. In der Folge verschärfen viele Banken zurzeit ihre Richtlinien.

Reinhard Frauscher, Vizechef der Raiffeisenbank Altötting-Mühldorf, bestätigt: "Wir müssen die Berechnung der Kreditfähigkeit jetzt für die gesamte Laufzeit vornehmen." Für künftige Einnahmen und die Zinsbelastung nach der ersten Zinsbindung müsse man von Prognosen ausgehen. "Ist der für den Lebensunterhalt übrige Betrag knapp oder zu befürchten, dass sich in der Rente die Werte verschlechtern, wird jeder Kreditentscheider bei der Genehmigung vorsichtiger werden."

Im Notfall kann sich der Kunde auch durch den Verkauf seines Hauses entschulden. "Das haben wir bisher in unseren Entscheidungsprozess mit einbezogen", sagt Frauscher. Das sei jetzt nicht mehr möglich. Hinzu komme die rechtliche Unsicherheit. "Wir befürchten, dass die Bank in Jahren mit dem Argument, sie habe die Kapitaldienstfähigkeit unzureichend geprüft, in Haftung genommen werden könnte, wenn der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann." Frauschers Bank lehnte in den vergangenen Wochen schon 41 Kredite ab, die früher genehmigt worden wären. Das entspricht etwa jeder fünften Baufinanzierung.

Angesichts des starken Wettbewerbs um Baufinanzierungen ist allerdings unklar, ob alle Anbieter die neue Richtlinie so streng anwenden. Zwar kommt die Bundesbank in ihrer Umfrage zum Kreditgeschäft zu dem Ergebnis, die Banken strafften "ihre Vergabestandards unterm Strich deutlich". Das dürfte dazu führen, dass einige Haushalte, die bis Ende 2015 einen Immobilienkredit erhalten hätten, diesen nun nicht mehr bekommen. Doch gleichzeitig sei denkbar, dass viele weiter kreditwürdige Haushalte eine Finanzierung erhalten, so dass das Volumen insgesamt stiege.

Allerdings stellt sich dann die Frage, wer sich hierzulande noch ein Eigenheim leisten kann. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat ermittelt, dass trotz der historisch niedrigen Bauzinsen heute noch genauso viele Menschen zur Miete wohnen wie 2011. Nur im reichsten Fünftel der Bevölkerung ist demnach der Anteil der Immobilienbesitzer weiter gestiegen.

"Ich dachte, ich sitze in einer Komödie"

Der Gesetzgeber argumentiert, es sei Zweck der neuen Richtlinie, auf Kante genähte Baufinanzierungen zu verhindern. In letzter Zeit häuften sich Warnungen, wonach viele Bauherren und Käufer zurzeit Kredite aufnähmen, die sie nicht bedienen könnten, wenn ihr Kreditzins steigen würde. Wie gefährlich es sei, bei der Kreditvergabe auf steigende Hauspreise zu hoffen, habe die Finanzkrise bewiesen. Die Banken halten dagegen, in Deutschland sei das nie ein Problem gewesen. Österreich etwa habe die Richtlinie bei Weitem nicht so streng umgesetzt; dort dürften Banken den Wert der Immobilie weiter einkalkulieren. Hierzulande werde dies gerade für Rentner zum Problem, wenn sie ihr Eigenheim per Kredit altersgerecht umbauen wollen; ihre Einkünfte sind in der Regel niedrig.

Auch Bankkunde Bergner geht diese Form des Verbraucherschutzes zu weit. Sein Bankberater rechnete ihm vor, dass in 18 Jahren das Kindergeld wegfalle. Als Bergner einwandte, seine Frau werde nach der Elternzeit wieder arbeiten, sagte der Banker, das dürfe er nicht berücksichtigen. "Das Positive wird nicht mehr eingerechnet, alles Negative aber schon", schimpft er, "ich dachte, ich sitze in einer Komödie."

Bergner hat von einem Sachbearbeiter erfahren, dass die Bank einen Sicherheitspuffer eingerechnet habe, "weil sie Angst vor Schadenersatz haben, wenn die Zinsen steigen und der Kredit in zehn Jahren vielleicht ausfällt", sagt er. Nach wochenlangem Zittern hat der 31-Jährige vor Kurzem eine Lösung gefunden. "Wir haben meine Schwiegereltern bekniet, dass sie sich eine Grundschuld von 100 000 Euro auf ihr Haus eintragen lassen", sagt er. Mit der zusätzlichen Sicherheit habe die Bank den Kredit zugesagt. Der Vertrag soll in dieser Woche unterschrieben werden.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2016/jps
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