Baukredite:Die Wende

Mit den Zinserhöhungen in den USA werden Baukredite auch hierzulande teurer. Käufer sollten sich nicht stressen lassen.

Von Harald Freiberger, Benedikt Müller

Es sind nur wenige Zehntel Prozent, und doch können sie Tausende Euro Unterschied machen: Seit der Präsidentschaftswahl in den USA und der Zinsentscheidung der dortigen Notenbank sind Immobilienkredite auch hierzulande teurer geworden. Wer ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen will, zahlt etwa bei der Allianz heute 0,25 Prozentpunkte mehr Zinsen pro Jahr als noch im Herbst. Auch bei Deutscher Bank, ING-Diba und Hypo-Vereinsbank sind die Zinsen um ein paar Zehntel Prozentpunkte gestiegen. Wenn das so weitergeht, argumentieren Verkäufer nun gerne, könnte die Ära niedrigster Bauzinsen schon bald vorüber sein. Sollte man also schnell noch zugreifen?

Die Lage in der Euro-Zone spricht eher dagegen. Viele Staaten und Banken haben sich noch immer nicht von der Finanzkrise erholt; die Europäische Zentralbank belässt den Leitzins vorerst bei null. Doch wirkt sich allein die Ankündigung der US-Notenbank, den Leitzins 2017 zwei oder drei weitere Male zu erhöhen, auch auf Deutschland aus: Seit Oktober ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von minus 0,1 Prozent auf plus 0,3 Prozent gestiegen. Erhöht sich diese Rendite, müssen Banken höhere Zinsen auf Pfandbriefe zahlen; das macht Baufinanzierungen teurer.

So berichtet der Kreditvermittler Interhyp, dass die Zinsen zehnjähriger Immobilienkredite im November im Schnitt um 0,2 Prozentpunkte gestiegen sind. Käufer und Bauherren mit bester Bonität können aber nach wie vor Finanzierungen mit weniger als 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr bekommen. "Das ist immer noch sehr günstig", sagt Dirk Scobel von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Es ergibt also keinen Sinn, jetzt überhastet Finanzierungen abzuschließen." Man müsse sich Zeit nehmen, die richtige Immobilie zu finden, sagt der Verbraucherschützer.

Torschlusspanik ist also nicht angebracht. Schließlich ist der Bau oder Kauf einer Immobilie meist die größte finanzielle Entscheidung im Leben eines Menschen - und der häufigste Grund für eine Privatinsolvenz. Das richtige Objekt und eine solide Finanzierung sind die Grundvoraussetzung dafür, sich davor zu schützen. Hinzu kommt: Niemand kann ernsthaft vorhersagen, ob die Zinsen nicht doch noch lange niedrig bleiben. In Europa geht man nicht vor 2018 von einer Erhöhung durch die EZB aus.

Seit 2011 waren Immobilienkredite in Deutschland immer günstiger geworden; der durchschnittliche Zinssatz ist von mehr als vier Prozent auf unter zwei pro Jahr gesunken. Dadurch können sich Käufer teurere Häuser und Wohnungen leisten. Die Bundesbank beobachtet bereits Preisübertreibungen in Großstädten und warnt im aktuellen Finanzstabilitätsbericht: Viele Menschen unterschätzten möglicherweise, dass die Preise auch wieder fallen könnten, wenn die Zinsen steigen.

Banken bürden sich Risiken auf, indem sie die niedrigen Zinsen 20 Jahre lang festschreiben

Dabei sind die Risiken unterschiedlich verteilt: Wenn sich Immobilienkäufer die niedrigen Zinsen etwa nur für fünf Jahre festschreiben lassen, laufen sie Gefahr, dass ihre Anschlussfinanzierung deutlich teurer werden könnte, sollten die Zinsen bis dahin steigen. Bei langfristigen Baufinanzierungen liegt das Risiko hingegen bei der Bank, sagt Martin Hellwig, Direktor des Bonner Max-Planck-Instituts: "Es wundert mich, für wie lange die Hypothekenzinsen derzeit festgeschrieben werden." Kredite zu zwei Prozent mit Zinsbindung über zehn oder 20 Jahre seien für die Banken gefährlich, sagt Hellwig. "Wenn die Marktzinsen einmal wieder über zwei Prozent gehen, müssen sie selbst mehr für die Finanzierung der Kredite bezahlen, als sie verdienen."

Immobilienfinanzierungen sind riskant für die Banken, weil sich die Kosten jederzeit mit dem Zinsniveau ändern können, während die Einnahmen auf Jahre festgeschrieben sind. "Hinzu kommt: Immobilienfinanzierungen machen insgesamt einen großen Brocken aus", sagt Hellwig, "und die maßgeblichen Risiken sind hoch korreliert." Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern spricht sich Hellwig dafür aus, dass Banken strengere Eigenkapital-Vorschriften gemacht werden sollten.

Schwierigkeiten können Institute bekommen, die viele langfristige Kredite zu niedrigen Zinsen ausgegeben haben. Refinanzieren sie sich kurzfristig, etwa über Tagesgeld von Kunden, wird dies bei steigenden Zinsen teurer. Im schlimmsten Fall übersteigen die Zinsen, die Banken zahlen müssen, dann jene, die sie von Kreditnehmern erhalten. "Es gab immer wieder Fälle von Banken, die dies nicht beachteten und deshalb in Schwierigkeiten gekommen sind", sagt Rüdiger Filbry, Bankenexperte der Unternehmensberatung BCG. Es sei zwar kein branchenweites Problem, einzelne Banken, die mit den Fristen falsch unterwegs sind, könnten aber in Bedrängnis geraten.

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