Süddeutsche Zeitung

Baukonzern Bilfinger Berger:Roland Koch - übernehmen Sie!

Heuert Hessens ehemaliger Ministerpräsident Roland Koch beim Baukonzern Bilfinger Berger an? Das Angebot steht - und er überlegt.

Dagmar Deckstein

Nein, hatte Roland Koch noch am Vorabend in der ARD-Talkrunde "Beckmann" gesagt. Auch wenn die Not in der schwarz-gelben Regierungskoalition groß werden sollte, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beispiel einen neuen Bundesfinanzminister bräuchte, falls sich Wolfgang Schäuble das Amt nicht mehr zumuten wollte - nein, sie würde ihn schon gar nicht anrufen. Sie kenne ihn und seine Motive, warum er der Politik im Mai adieu gesagt und seinen Rücktritt für August angekündigt hatte, zu gut: "Politik ist nicht mein Leben", hatte der 52-Jährige damals gesagt, nachdem er immerhin elf Jahre lang für die CDU Ministerpräsident in Hessen und Landesparteichef gewesen ist. Aber was macht so ein durch und durch parteipolitisch sozialisierter und machtpolitisch orientierter Mensch dann danach? Einen Baukonzern leiten etwa?

So undenkbar ist das nicht. Schon im August kochten erste Gerüchte hoch, der Ex-Politiker führe Gespräche mit dem Aufsichtsratschef von Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern Bilfinger Berger. Das wurde damals noch heftig dementiert. Jetzt bestätigt Chefkontrolleur Bernhard Walter, dass mit Roland Koch durchaus Gespräche geführt wurden - und mit fünf weiteren internen und externen Kandidaten im Übrigen auch. Da wird schon mal die Hessen-Connection sichtbar, denn Walter war lange Jahre Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Der Mannheimer Baukonzern, der mit 67.000 Mitarbeitern zehn Milliarden Euro mit Infrastrukturprojekten und Baudienstleistungen in aller Welt umsetzt, sucht seit etwa einem Dreivierteljahr nach einem Nachfolger für Herbert Bodner, 62, dessen Vertrag im Juli nächsten Jahres ausläuft.

Wer sich ein wenig in der Headhunter-Szene umhört, ob ein politikmüder studierter Jurist und einst selbständiger Rechtsanwalt für den Spitzenposten geeignet wäre, bekommt überraschend positive Einschätzungen: "Aber hundertprozentig!" Koch wäre sogar mehr als geeignet, heißt es. Ein Konzern, der mit Tunnel-, Straßen- und sonstigen Infrastrukturprojekten sein Geld verdiene, profitiere von jemandem, der eng mit der Politik verdrahtet sei und sich bestens in den Kanälen auskenne, die es da zu bohren gelte. Außerdem sei Koch durchsetzungsstark, was auch kein Fehler an Konzernspitzen sei. Erleichternd für Koch komme hinzu, dass es im deutschsprachigen Umfeld so gut wie keinen profilierten Kandidaten aus dem genuinen Baufach gebe. Allerdings sei zu bedenken, dass Politiker des Englischen oft nicht perfekt mächtig seien, was aber beim Global Player Bilfinger Berger unabdingbar sei. Aus Kochs Umfeld ist jedoch zu hören, dass er sogar Reden frei auf Englisch zu formulieren imstande sei.

Sechs Wochen Bedenkzeit hat sich Koch zur Entscheidung gegeben, so ein Sprecher. Vielleicht ruft Merkel bis dahin doch noch an. Einer der Personalberater hegt jedenfalls einschlägige Bedenken: "Wenn ein so politischer Mensch wie Koch eine neue Machtoption auf diesem Feld angeboten bekäme, würde er sicher zugreifen."

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Quelle:
SZ vom 20.10.2010/mel
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