Bauernproteste:Die Bauern stellen die falschen Forderungen

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Die Proteste der Landwirte waren längst überfällig. Wie im Getöse Tatsachen verdreht werden, ist jedoch bedenklich. Was die Bauern wirklich brauchen, ist finanzielle Unterstützung für umweltschonende Arbeit.

Kommentar von Silvia Liebrich

Es ist eine beeindruckende Demonstration. Tausende Landwirte sind mit ihren Traktoren nach Berlin gerollt, um auf ihre schwierige Lage aufmerksam zu machen. Auch in anderen Städten kommt es seit Wochen zu Protestaktionen. Das hat es in dieser Form seit der Wende nicht gegeben - ein Zeichen dafür, dass sich viel Frust aufgestaut hat. Und der ist nachvollziehbar. Die wirtschaftliche Lage vieler Bauern ist tatsächlich prekär. Es sind vor allem kleine und mittelgroße Familienbetriebe, die dem Druck nicht standhalten und aufgeben müssen.

Vor diesem Hintergrund ist die Welle des Protests längst überfällig. Nur dass die Bauern mit den falschen Forderungen nach Berlin gezogen sind. Anstatt mehr Geld für umwelt- und klimafreundliches Wirtschaften auf Äckern, Feldern und in Tierställen zu fordern, beharren sie darauf, dass möglichst alles so bleibt, wie es ist. Nicht sie selbst sehen sich in der Pflicht zu handeln und sich anzupassen, sondern vor allem Politik, Verbraucher und Handel. Nach echter Dialogbereitschaft sieht das nicht aus.

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Am Dienstag demonstrieren Landwirte gegen die Agrarpolitik der Regierung. Es geht um die Frage, wie viel Umweltschutz kosten darf - und wer dafür zahlt.

Von Silvia Liebrich

Inakzeptabel ist, wie die Wortführer des Netzwerks "Land schafft Verbindung", die den Auftritt in Berlin organisiert haben, die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft verharmlosen. Klimawandel, Artensterben, die negativen Folgen der intensiven Tierhaltung und der zunehmenden Wasserverschmutzung - für all das braucht es tragfähige Lösungen. Denn der globale Umbruch wird vor allem auch die Landwirtschaft unter Druck setzen.

Wie im Getöse des Protests Tatsachen verdreht und Fakten ignoriert werden, ist bedenklich. Tierhalter, die mit ihren Ställen jede Menge schädliches Methan freisetzen, werden zu Klimaschützern umdeklariert. Aus Erzeugern, die in Monokulturen Mais, Raps oder Getreide anbauen und jede Menge Pestizide freisetzen, werden plötzlich Umweltschützer. Doch Schönreden allein hilft hier nicht, dafür ist die Lage viel zu ernst.

Vor allem aber entsteht der völlig falsche Eindruck, dass hinter dem Protest alle Bauern stehen. Das ist definitiv nicht der Fall. Viele Landwirte haben die Zeichen der Zeit längst erkannt und passen ihre Produktionsweise an, das gilt nicht nur für Bio-Landwirte, sondern auch für viele konventionelle. Nur wird ihre Stimme in Berlin nicht gehört.

Der Klimawandel verlangt schnelles und entschlossenes Handeln

Was diese Erzeuger brauchen, ist mehr finanzielle Unterstützung für umweltschonende Leistungen. Ihnen ist nicht damit geholfen, wenn umstrittene Düngeregeln aufgeweicht und ein hoher Pestizideinsatz aufrechterhalten wird. Wer weniger Gülle auf Felder schüttet und weniger Tiere hält, die dafür aber mehr Lebensraum bekommen, muss dafür entlohnt werden. Dafür braucht es Anreize, die Bund und Länder zusammen mit der EU entwickeln müssen.

All das muss rasch geschehen. Der rasant fortschreitende Klimawandel verlangt schnelles und entschlossenes Handeln. Das machen auch die Daten deutlich, die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstag vorgelegt hat. Sie belegen, dass die Durchschnittstemperatur in Deutschland 2018 deutlich höher lag als noch 2013 erwartet. Das zeigt: Auch die Landwirtschaft muss sich anpassen. Dieser Wandel geht alle Bürger etwas an, und es muss alles auf den Tisch. Dazu gehört ein Umdenken in der europäischen Subventionspolitik, aber auch im Handel und bei den Verbrauchern. Die Zeiten, in denen Lebensmittel wie Fleisch und Milch zu Dumpingpreisen verramscht werden, müssen der Vergangenheit angehören.

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